„Copa das Copas“: Vier Wochen Glanz und Glamour

Rio de Janeiro (dpa) - Nach vier Wochen Dauerparty und 64 WM-Spielen in zwölf Stadien und Städten steht fest: Brasiliens „Copa“ war gut organisiert und geht wohl als eine der spannendsten und schönsten Weltmeisterschaften in die Fußball-Geschichte ein.

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Die Fans sind zufrieden, das Turnier glänzte seit dem 12. Juni nicht nur durch guten Fußball, sondern auch durch einen reibungslosen Ablauf. Aber: Bei vielen Brasilianern hinterlässt die Copa einen bitteren Nachgeschmack - nicht nur, weil die Seleção auf ganzer Linie enttäuschte.

In Brasilien werden die zahlreichen Komplimente, die Regierung und FIFA seit Tagen anstimmen, auch mit Skepsis betrachtet, handelt es sich bei den Elogen doch zum Großteil um Eigenlob. Damit sparen beide Institutionen eher selten. Ob sich die WM-Gesamtinvestition von mindestens 26,8 Milliarden Reais (8,5 Mrd. Euro) letztlich auszahlt, bleibt abzuwarten. Zumindest an WM-Standorten wie Manaus, Cuiabá oder Natal stehen nun Prunkstadien, denen ein Dasein als Weiße Elefanten droht, denn die Städte haben keine Top-Clubs, deren Fans die Arenen füllten könnten.

Am Montag, dem Tag eins nach der „Weltmeisterschaft der Weltmeisterschaften“, wird der Fußball wieder Nebensache und die Alltagsprobleme der Menschen wieder Hauptsache. Auch wenn durch die Copa viele Infrastrukturmaßnahmen angeschoben und beschleunigt wurden, das Fest rauschend war und viele Kritiker verstummten, darf nicht vergessen werden, dass vor Anpfiff des Turniers auch Größen wie Ronaldo und Pelé sich beide mehrfach und öffentlich über beide Ohren schämten für die vielen Verspätungen bei der Vorbereitung.

„Alles was versprochen und nicht erbracht wurde. Es gibt Statistiken, ... dass nur 30 Prozent (der Infrastrukturarbeiten) zur WM abgeliefert werden, das ist meine Sorge und meine Scham. Den größten Schaden hat die Bevölkerung“, so Ronaldo keine zwei Wochen vor WM-Anpfiff. Daran ändern auch 64 WM-Spiele und eine gute Organisation des Weltturniers wenig. Immerhin sind die WM-Gegner offensichtlich gescheitert, wenn man ihre monatelang propagierte Prämisse zugrunde legt: „Não Vai Ter Copa“ (Es wird keine WM geben).

Von Massenprotesten keine Spur, es waren während der gesamten WM wohl nur einige tausend, die sich versammelten, obwohl es an Gründen nicht fehlte. Denn seit den Demonstrationen von Hunderttausenden im Vorjahr hat sich wenig geändert an den beklagten Missständen in Krankenhäusern, Schulen und im öffentlichen Nahverkehr. Ob es in der Nachspielzeit der WM nun zu Protesten kommt, ist unklar. Der Wahlkampf für die anstehende Präsidentschaftswahlen ist längst angepfiffen.

Mit Argwohn dürften die Kritiker das Bestreben der Präsidentin beäugen, die versucht, den Erfolg der Copa für ihre Zwecke und ihr Image einzuspannen. Die 66-Jährige sieht sich voll und ganz bestätigt in ihrem Optimismus. „Mit dieser WM haben wir zwei Dinge bewiesen: dass Brasilien ein leidenschaftliches aber auch kompetentes Land ist. Beide Faktoren gehen nicht immer zusammen. Wir zeigten Leidenschaft für das Spiel und Kompetenz, um den harmonischen Verlauf des sportlichen Events zu garantieren“, sagte sie Journalisten zum Turnierende.

Sie hält die WM für mehr als gelungen und will nichts mehr wissen von Miesmacherei und Unkenrufen, schon gar nicht bei der laufenden Olympia-Vorbereitung. „Die Pessimisten haben sich geirrt“, so die Staatschefin im Rückblick. Steilpässe dazu lieferte FIFA-Chef Joseph Blatter, der den Gastgeber in höchsten Tönen lobte. „Thank you Brazil!“ titelte Blatter in seiner Kolumne im Wochenmagazin des Weltverbandes.

„Vom Start weg am 12. Juni war der Fußball die Hauptsache, und er ist es seitdem auch geblieben“, schrieb Blatter. Das „gigantische Festival“ habe alle Erwartungen übertroffen. Und an die Adresse der Journalisten: „Die Medien haben die Vorbereitungen damit verbracht, alle denkbaren Horror-Szenarien vorherzusagen, vom Protest-Chaos bis zu unfertigen Stadien. ... Es war ganz das Gegenteil.“

Lob für die Organisation kam auch vom Internationalen Olympischen Komitee, das nach dem Finale am Sonntag quasi den Staffelstab von der FIFA übernimmt für die Spiele in zwei Jahren in Rio. „Brasilien kann sehr stolz sein auf die Organisation der 'Copa', und wir sind sicher, dass die Welt während der Olympischen Spiele 2016 sehen wird, wofür Brasilien steht: Leidenschaft und Effizienz zur gleichen Zeit“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach am Freitag nach einem Treffen mit Rousseff.

Als einer der wichtigsten Punkte vor der WM wurde die Sicherheitslage in Brasilien angesehen, mit der außerhalb von WM-Zeiten nicht zum Besten steht. Auch während des Turniers starben Menschen in Favelas bei Schießereien mit der Polizei. Doch die rund 600 000 ausländischen WM-Touristen bekamen davon wenig mit. Der Staat überließ bei der Copa in puncto Sicherheit nichts dem Zufall. 170 000 Polizisten und Soldaten waren im Dauereinsatz. 1,9 Milliarden Reais (rd. 630 Mio. Euro) kostete die Mega-Operation. Die Stadienumgebungen glichen Hochsicherheitsgebieten, auch wenn die Hundertschaften der Polícia Militar dezent in Seitenstraßen aufmarschierten.

Mag die Seleção die nationale Mission des „Hexa“, des sechsten WM-Titels, mit dem 1:7-Halbfinaldebakel gegen Deutschland krachend vergeigt und selbst die Chance zum dritten Platz gegen Holland mit 0:3 sträflich verpatzt haben: Die Präsidentin ist sicher, dass Brasilien mit einem „höheren Selbstwertgefühl“ aus der WM geht. Ob Rousseff bei der Präsidentschaftswahl am 5. Oktober von der erfolgreichen WM-Organisation profitieren kann, ist offen. Dann entscheiden die Wähler und nicht nur die Fußball-Fans.