Videobeweis Experiment oder „große Chance“: WM-Videobeweis im Fokus
Moskau (dpa) - Die Frage Tor oder Nicht-Tor entscheidet sich bei der Fußball-WM auch in einem kargen Moskauer Raum mit blauen Wänden vor 15 Monitoren. Trotz aller Bedenken von Experten und heiß diskutierter Tests auch in der Bundesliga feiert der Videobeweis in Russland seine WM-Premiere.
Doch vor der ersten Härteprobe beim Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeber und Saudi-Arabien gibt sich Gianni Infantino äußerst zuversichtlich. „Ich bin überhaupt nicht nervös wegen des Videoschiedsrichters, weil es keine negativen Effekte haben kann“, beteuerte der FIFA-Präsident in der russischen Hauptstadt. „Das Schlimmste was passieren kann, ist, dass eine falsche Entscheidung nicht korrigiert wird. Mit dem Videoschiedsrichter haben wir aber die große Chance, dass falsche Entscheidungen korrigiert werden.“
Noch beim Confederations Cup vor einem Jahr sorgte die Überprüfung spielentscheidender Szene allerdings für reichlich Possen. So erhielt der Chilene Gonzalo Jara im Finale trotz eines klaren Ellbogenschlags gegen Timo Werner regelwidrig nur Gelb.
Die Fehler seien aufgearbeitet worden, erklärten die FIFA-Schiedsrichterchefs im Luschniki-Finalstadion von Moskau unisono. „Das System ist bereit für die WM“, sagte Massimo Busacca, Leiter der FIFA-Schiedsrichterabteilung, gestand aber auch: „Ich denke nicht, dass es schon perfekt sein wird.“
Bei der WM soll der Videobeweis lediglich für vier Fälle eingesetzt werden: Zur Überprüfung von Torszenen, Elfmeterentscheidungen, Vorfälle im Zusammenhang mit Roten Karten und Spielerverwechslungen. Dabei wird jeder Treffer auf eine Abseitsstellung gecheckt. Anders als in der Bundesliga bekommen die Unparteiischen eine virtuelle Linie zur Unterstützung, zudem sollen die Zuschauer sowohl im Stadion als auch vor dem TV über die Entscheidungen via Grafiken informiert werden.
Insgesamt 13 Unparteiische sind bei der WM ausschließlich als Videoschiedsrichter aktiv, aus Deutschland wurden Bastian Dankert und Felix Zwayer nominiert. Der Berliner Zwayer sorgte zuletzt beim DFB-Pokalfinale mit seiner Entscheidung für Diskussionen, als er nach einer Aktion von Frankfurts Kevin-Prince Boateng gegen Javi Martínez vom FC Bayern trotz Überprüfung der Videobilder nicht auf Strafstoß entschied.
Seit dem 3. Juni haben sich die Schiedsrichter, darunter auch der Münchner Felix Brych, in einem Lehrgang auf die WM und auch besonders dem Umgang mit dem Videoschiedsrichter vorbereitet. Mittlerweile habe er schon ein gutes Gefühl, sagte der Weltschiedsrichter des Jahres 2017 zuletzt, „denn auch ich musste mich erst an das neue System gewöhnen. Ich habe mich darauf eingelassen und komme mit Video-Assistenten gut zurecht.“
Experten befürchten jedoch ein Chaos auf der größten Fußball-Bühne. „Ich hoffe nicht, dass ich recht behalte, bin aber überzeugt davon“, sagte der Schweizer Ex-Referee Urs Meier dem „Kicker“. „Diese WM kommt zu früh für den Videobeweis. Die WM ist ein Premium-Produkt, das keine Experimente verdient.“