Joachim Löw: Man wird nicht mit elf Spielern Weltmeister
Mainz (dpa) - Fragen an Bundestrainer Joachim Löw nach dem 6:1-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Armenien im letzten Testspiel vor der Abreise zur Weltmeisterschaft am Freitagabend in Mainz.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit nach Brasilien?
Joachim Löw: Wir haben das Ziel erreicht, wenn man die gesamten 90 Minuten sieht. Wir können zufrieden sein, auch gerade mit dem Ergebnis. Nach dem 2:1 haben wir den Gegner weich gespielt, er ist immer mehr auseinandergefallen.
War es ein Lichtblick, dass sich Lukas Podolski und André Schürrle gerade angesichts der Verletzung von Marco Reus so positiv zeigen konnten?
Joachim Löw: Beide, Schürrle und Podolski, haben bei uns im Training immer einen guten Eindruck gemacht. Lukas und André sind körperlich sehr dynamisch, sehr stark. Man hat das Gefühl, sie haben in England, in der körperlich intensiven und sehr robusten Premier League, auch in diesen Bereichen zugelegt. Wenn der Lukas in die Tiefe geht, wenn er seine Schnelligkeit ausspielt und diese Wege geht, ist er schwer zu halten.
Philipp Lahm war in der ersten Hälfte der einzige Sechser im Mittelfeld. Kroos und Khedira agierten eher auf den Halbpositionen. Wie hat Ihnen diese Variante gefallen?
Joachim Löw: Gegen diesen Gegner war das ein bisschen zwangsläufig, denn Armenien verteidigt vielbeinig. Da mussten die anderen Spieler im Mittelfeld nach vorne rücken. Darum hat Lahm etwas vor den beiden Innenverteidigern gespielt und Khedira und Kroos etwas höher, um früh zu stören. Das ist immer eine Variante. Man kann mit zwei Sechsern verteidigen, aber auch nur mit einem Sechser und zwei Achtern.
Sind Sie sich in der Innenverteidigung mit Mertesacker und Hummels sowie beim rechten Verteidiger mit Boateng sicher? Oder könnte es da noch einen Wechsel geben, dass Sie überlegen, Lahm auf die rechte Verteidigerposition zu ziehen - gerade gegen Portugal?
Joachim Löw: Es ist beides möglich. Das wird man nächste Woche endgültig entscheiden. Es war wichtig, dass Philipp Lahm mal im Mittelfeld spielt, weil Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira noch nicht zu hundert Prozent im Vollbesitz ihrer Kräfte sind. Hummels und Mertesacker haben es sehr gut gemacht. Boateng kann rechts spielen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Lahm im Mittelfeld oder rechts. Und dann muss man in der Innenverteidigung sehen. Ich wollte ganz bewusst in der Vorbereitung mal sehen, dass bei Hummels und Mertesacker, die noch nicht so häufig zusammengespielt haben, die Abstimmung besser passt.
Es ist vollbracht, Miroslav Klose hat sein 69. Länderspieltor geschossen, ist nun alleiniger deutscher Rekordschütze. Was sagen Sie zu dieser Marke?
Joachim Löw: Diese Marke ist sensationell. Es ist eine tolle Sache für ihn, diesen Torrekord zu haben. Er hat das verdient. Der Miro ist, was seine körperliche Leistungsfähigkeit und was sein Limit betrifft, noch nicht ganz bei hundert Prozent. Er hat viel gearbeitet im Trainingslager, da hat man ihm am Ende seine Müdigkeit angemerkt. Gegen Kamerun wollte ich keine Verletzung riskieren. Die freien Tage haben ihm gut getan. Miro ist ein Turnierspieler, der weiß, was zu tun ist. Wenn es darauf ankommt, ist er meistens punktgenau fit.
Wird er zunächst einmal als Joker ins WM-Turnier gehen?
Joachim Löw: Joker? Nicht Joker, das gibt es für mich in diesem Sinne nicht. Ich glaube, dass wir bei den Bedingungen in Brasilien gerade in den ersten drei Spielen das Wechselkontingent ausschöpfen müssen. Wichtig wird sein, dass wir immer Spieler bringen können, die Akzente setzen, die Mannschaft beleben, die Frische ins Spiel bringen und die körperlich stark sind. Man hat gesehen, man wird nicht mit elf Spielern Weltmeister, man braucht viel, viel mehr. Es ist ein kleines Plus von uns, dass die Spieler in der Offensive in Schwung kommen. Dass der Miro für uns sehr wichtig sein wird, glaube ich auf jeden Fall.
Sie wollten sich mit einem Lächeln aus Deutschland von den Fans verabschieden. Ist es jetzt so nach dem 6:1-Sieg?
Joachim Löw: Wir wollten uns von unseren Fans hier in Mainz mit einem Spiel verabschieden, an dem sie Freude haben, bei dem ein Sieg herausspringt. Das haben wir geschafft. Die Mannschaft ist mit Beifall verabschiedet worden, das tut jedem gut, dieses positive Gefühl mitzunehmen in den Flieger. Das kann noch mal einen Schub geben.