Lahm, Metzelder, Ballack: Vorbereitung mit Hindernissen
St. Leonhard (dpa) - Ein Trainingslager mit Hindernissen - für Joachim Löw ist das vor einem großen Turnier nichts Neues. Schon als Assistent von Jürgen Klinsmann musste er sich vor dem deutschen WM-Sommermärchen 2006 so wie jetzt vor dem Turnier in Brasilien um Philipp Lahm sorgen.
Personelle Probleme in der Vorbereitung seien „eher Normalität“, bemerkte Löw vor dem Start des Camps in Südtirol. „Auch diesmal gibt es einige Fragezeichen.“
Sie reichen von Torwart Manuel Neuer (Schulter) über Lahm (Sprunggelenk) und Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger (Knie) bis zum Führungsspieler Sami Khedira, der nach einem Kreuzbandriss um die WM-Form ringt. Löw sprach von „kalkuliertem Risiko“.
In der Vergangenheit ging die Rechnung mit den Unbekannten nicht immer auf - wie ein Blick zurück zeigt.
Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland (Platz drei):
Die Vorbereitung auf das Heimturnier beginnt mit einem Schock: Philipp Lahm erleidet am Abend der Abreise ins Trainingscamp auf Sardinien in einem „Juxspiel“ der Nationalelf in Mannheim gegen den FSV Luckenwalde (7:0) einen Teilanriss einer Sehne und eines Bandes am linken Ellbogen. Der Bayern-Profi wird sofort operiert. „Wir hatten schon eine Wut, dass so etwas in so einem Spiel passiert“, kommentierte der damalige Klinsmann-Assistent Löw.
Lahm wäre vor acht Jahren nach seinem Bayern-Kollegen Sebastian Deisler (Knie-OP) der zweite schwerwiegende WM-Ausfall gewesen. Nach einer Blitzheilung gelingt dem Linksverteidiger im Eröffnungsspiel ein Traumtor beim 4:2 gegen Costa Rica. Dafür fehlt Michael Ballack in München: Der Kapitän hatte sich im letzten Vorbereitungsspiel gegen Kolumbien an der Wade verletzt. Bundestrainer Jürgen Klinsmann setzt ihn zum Auftakt nicht ein.
Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz (Finale):
Beim ersten Turnier als Chefcoach nimmt Löw überraschend mehr als 23 Spieler mit ins Trainingslager nach Mallorca. Marco Marin, Patrick Helmes und Jermaine Jones streicht er am Ende. Kapitän Ballack reist nach dem verlorenen Champions-League-Finale mit dem FC Chelsea verspätet und gefrustet auf die Urlaubsinsel. Das größte Sorgenkind aber ist Christoph Metzelder. Löw wagt das Risiko mit dem Innenverteidiger, der im EM-Jahr nach einer Operation an der Fußsohle fünf Monate pausieren musste. Metzelder spielt die komplette EM bis zum verlorenen Finale gegen Spanien (0:1), Topform erreicht der Abwehrspieler aber nicht.
Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika (Platz drei):
Diesmal kommt es für Löw richtig dick: René Adler, zur Nummer 1 für Südafrika ausgerufen, fällt nach einem Rippenbruch für die WM aus. Manuel Neuer rückt ins Tor. Dann kommt die Schock-Nachricht: Im englischen Pokalfinale grätscht der heutige Schalker Kevin-Prince Boateng DFB-Kapitän Ballack „brutal“ (Löw) um. Ein Syndesmose- und Innenbandriss am rechten Fuß bedeuten das WM-Aus für den „Capitano“.
Im Trainingslager in Südtirol verletzt sich Verteidiger Christian Träsch in einem Übungsspiel am Fuß, Heiko Westermann erleidet beim WM-Test in Ungarn einen Kahnbeinbruch am linken Fuß. Löw findet für alles Lösungen: Für Ballack springt der junge Stuttgarter Sami Khedira in die Bresche und feiert ein sensationelles WM-Debüt.
Europameisterschaft 2012 in Polen und Ukraine (Halbfinale):
Schon im ersten Trainingslager auf Sardinien spricht Löw von einer „zerrütteten Vorbereitung“. Torjäger Miroslav Klose begibt sich mit einer Fußverletzung gleich in Behandlung. Abwehrchef Per Mertesacker schafft es nach langwieriger Verletzung nicht in die EM-Elf. Die Bayern-Stars stoßen nach zwei verlorenen Titeln gegen Borussia Dortmund und dem vergeigten „Finale dahoam“ in der Champions League fix und fertig ins zweite Camp in Südfrankreich.
Bastian Schweinsteiger wird schließlich zum Dauerpatienten. Löw gestattet seinem Mittelfeldchef vor der Abreise ins EM-Quartier in Polen noch einen Kurzurlaub mit Freundin auf der italienischen Ferieninsel Capri. Im Turnier quält sich Schweinsteiger über die Runden. Löw hält bis zum Halbfinal-K.o. gegen Italien an ihm fest.