Löw und Generation Lahm vor Krönung - „Pott nach Hause“
Rio de Janeiro (dpa) - Fußball-Deutschland ist für die größte Party der WM-Geschichte bereit! Voller Vorfreude und mit dem „richtigen Maß an Selbstvertrauen“ wollen sich Joachim Löw und die Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger zu Weltmeistern krönen.
„In einem Finale, ganz egal wo es stattfindet, heißt das Ziel, das Finale zu gewinnen, den Pott mit nach Hause zu nehmen“, erklärte der gelöste Bundestrainer am Tag vor dem Fußball-Gipfel in Rio de Janeiro. „Jetzt sind wir da, jetzt haben wir die Chance. Klar, jetzt wollen wir sie wahrnehmen.“ Die Zuversicht ist schier grenzenlos.
Der entspannte Löw und sein Vize-Kapitän Schweinsteiger mit einem Dauerlächeln im Gesicht genossen gut 24 Stunden vor dem WM-Finale das noch leere Fußball-Heiligtum Maracanã. Hier soll am Sonntag gegen Lionel Messi und die Argentinier der vierte deutsche Titel her. „Ich habe gar keine Angst, weil ich weiß, dass das ein Spiel zweier Mannschaften wird, die sich in der Vergangenheit immer packende Duelle geliefert haben“, betonte der Chef der Titelmission vor der dritten Auflage dieses WM-Endspiels. Titel für Argentinien 1986, Triumph für die DFB-Auswahl 1990 - und jetzt?
„Man hat schon das eine oder andere Finale leider verloren“, erklärte der fokussierte Schweinsteiger für die aktuelle deutsche Fußball-Altersklasse. „Aber man hat auch mit Bayern München schon ein ganz großes gewonnen. Ich weiß wie es funktioniert, wie man auf hohem Niveau so ein Spiel, so ein Turnier gewinnt. Deswegen bin ich zuversichtlich und freue mich sehr auf den Abend.“
Die Vorfreude sei sehr, sehr groß, betonte der Mittelfeldchef noch einmal. „Ich glaube, dass wir keinen Druck haben. Wir wissen mit der Situation umzugehen. Wir müssen nur an eins denken: Das ist der Job, den wir hier zu verrichten haben.“ Und der wird auch nach dem Jahrhundertspiel beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien nun im Duell mit den ausgebufften Argentiniern keineswegs leichter.
Die Jubelbilder aus der Heimat von Millionen auf Fanmeilen und beim Public-Viewing sollen das Team um Kapitän Lahm im heißen Finale noch einmal extra pushen. Diese Szenen seien „die beste Motivation“, versicherte Löw im ARD-Hörfunk. Und anders als 1954, 1974 und 1990 haben die schwarz-rot-goldenen Dauerfeten seit dem Sommermärchen 2006 ganz andere Ausmaße. „Das ist für alle ein ganz geiles Gefühl, wenn man sieht, wie sich die Fans freuen, wie sie zusammenstehen. Es macht auch uns Freude, unsere Fans glücklich zu machen“, schwärmte Löw vor seinem 112. und bedeutendsten Spiel als Bundestrainer.
„Jetzt fiebern wir alle auf das Finale hin. Es wird Zeit, dass der Ball rollt, es wird Zeit, den vierten Stern für Deutschland zu holen“, formulierte es Teammanager Oliver Bierhoff. „Alle wissen, dass der letzte Schritt noch fehlt.“
Voller Glücksgefühle, mit totaler Begeisterung und unter Hochspannung tickt der Countdown bis zum Anpfiff durch Nicola Rizzoli, unter dessen Leitung die Bayern vor einem Jahr Champions-League-Sieger wurden. „Wenn der Schiedsrichter anpfeift muss man sich auf das konzentrieren, was stark macht: Das Wesentliche“, verdeutlichte Schweinsteiger. Alles drum herum könne man sehen, es dürfe einen aber nicht beeinflussen. „Mit dem Kopf muss man einfach nur ans Fußballspielen denken.“
Voller Tatendrang präsentierte sich die deutsche Auswahl am Samstag beim Abschlusstraining, legte voller Eifer schon beim Aufwärmen los. Der Fokus ist mehr und mehr auf das erwartete hitzige Duell mit den „Gauchos“ gerichtet. „Wir hauen alles raus! Wir werden alles auspacken, was wir fußballerisch und kämpferisch in unserem Rucksack haben“, versprach Thomas Müller. Die auserkorenen Gipfelstürmer wirken so, als würden sie am liebsten gleich losstürmen.
Für den Torschützenkönig von 2010 geht es mit fünf Toren und drei Vorlagen auf dem Konto beim großen Finalduell gegen Messi (4/1) nebenbei auch darum, sich noch vor den Kolumbianer James Rodríguez (6 Tore/2 Vorlagen) zu setzen.
Müller steht wie Mats Hummels, Toni Kroos und Lahm auf der Liste der zehn Kandidaten für die Wahl zum Gewinner des Goldenen Balls. Manuel Neuer gehört zu den drei Nominierten bei der Wahl des besten Torhüters des Turniers. „Das ist ein Riesenerfolg, auch ein Riesenerfolg für Fußball-Deutschland“, so Bierhoff. Sein Wunsch: Wie Lothar Matthäus vor 24 Jahren - ebenfalls gegen Argentinien - soll nun Lahm den rund 6,2 Kilo schweren Goldpokal in die Höhe stemmen.
„Die Parallelen zu 1990 springen geradezu ins Auge. Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch außerhalb“, erinnerte der damalige Teamchef Franz Beckenbauer an die „starke Gemeinschaft“ im Team - und beantwortete die die Frage nach dem neuen Weltmeister eindeutig: „Der kann nur Deutschland heißen.“ Jetzt will auch die Generation um Lahm, Schweinsteiger und Podolski ihren Titel feiern - und Löw könnte zu den Weltmeistertrainern Sepp Herberger, Helmut Schön und Beckenbauer aufsteigen.
„Der WM-Titel ist natürlich das Beste, was man erreichen kann in einer Karriere in unserem Sport. Da bist du die beste Mannschaft der Welt“, erklärte Löw und gab sich in all den Diskussionen um seine Zukunft amüsiert. „Ich habe ja einen Vertrag und werde nach dem Spiel mal mit unserem Präsidenten reden. Vielleicht schmeißt er mich ja auch raus, kann ja alles passieren“, sagte Löw, bis 2016 an den DFB gebunden, mit einem Schmunzeln. Ohnehin befasse sich erst einmal jeder im deutschen Lager mit dem WM-Endspiel.
Gerade die Bayern-Stars wissen aber auch, dass die gigantische deutsche Zuversicht vor dem Match im Maracanã noch gar nichts zu sagen hat. Denn vor der Mutter aller Niederlagen beim Champions-League-Finale dahoam vor zwei Jahren war der Optimismus ebenfalls riesengroß - das tränenreiche Ende ist bekannt. „Erfahrung ist schon wichtig und das nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern auch im Vereinsfußball“, erklärte Lahm.
Für den Kapitän spielen die vergangenen Duelle mit den „Gauchos“, wie etwa das im Elfmeterschießen im Viertelfinale 2006 mit anschließender Rauferei, keine Rolle. „Das betrifft die Spieler nicht wirklich, dass es nach dem Spiel ein bisschen Ärger gab“, sagte der 30-Jährige. Bierhoff ist auf einen erneut hitzigen Fight eingestellt. Auf dem Platz würden die Argentinier „zu ganz anderen Menschen“, erklärte der Teammanager: „Die betreten den Platz und dann haben sie Feuer in den Augen, dann geht es heiß her. Ein Hindernis, das wir überstehen müssen.“ Das andere heißt Messi - und auch dafür haben Löw & Co. den passenden Matchplan.