Heiner Brand: „Das habe ich noch nie erlebt“
"Es hätte nicht ins Turnier gepasst, wenn wir Glück gehabt hätten", sagt Bundestrainer Heiner Brand.
Zadar. Am Tag nach dem Verpassen des WM-Halbfinales reisten die deutschen Handballer am Mittwoch von Zadar an der Adriaküste in die kroatische Hauptstadt Zagreb, wo am Donnerstag um 15 Uhr das Spiel um Platz fünf gegen Ungarn ansteht. Unsere Zeitung sprach mit Bundestrainer Heiner Brand.
WZ: Herr Brand, wie haben Sie die letzten Sekunden des Spiels Polen gegen Norwegen verfolgt, als Artur Siodmaks Tor aus 30 Metern das Aus für Ihr Team bedeutete?
Brand: Ich war im Hotel, habe mich aber nicht näher mit dem Spiel befasst, weil ich mir keine Chance ausgerechnet hatte. Die Szene am Ende habe ich heute Morgen erst in der Wiederholung gesehen. Es hätte aber nicht ins Turnier gepasst, wenn wir Glück gehabt hätten. Es ist alles folgerichtig abgelaufen, es musste so kommen. Allerdings: So etwas, so einen Ablauf, dass vier Spiele hintereinander so enden - das habe selbst ich noch nie erlebt. Das war ein außergewöhnlich emotionales Erlebnis, das es so mit Sicherheit nie mehr geben wird. Viermal waren wir ein paar Sekunden vom Halbfinale entfernt, viermal haben wir es verpasst.
Wie lautet Ihr Fazit dieser WM?
Brand: Das Auftreten der Mannschaft war teilweise sensationell. Ich glaube, es gab nur wenige, die dem Rest der Truppe nach den Ausfällen von Hens und Kraus so eine Leistung zugetraut hatten. Die Leidenschaft war in jedem der acht Spiele zu sehen. Es war eine klare Steigerung auch im Spielerischen zu verzeichnen. Ich bin nahezu uneingeschränkt zufrieden. Auch wenn jetzt die große Enttäuschung da ist.
Steht der Kader für die nähere Zukunft oder haben Sie noch weitere Kandidaten im Auge?
Brand: Es werden Ergänzungen kommen. Der Konkurrenzkampf wird aufrechterhalten. Zum Beispiel mit Manuel Späth am Kreis, auf Linksaußen mit Uwe Gensheimer oder mit Andreas Rojewski im Rückraum. Martin Strobel und Michael Kraus haben als Spielmacher sehr gut harmoniert. Martin hat eine schöne Entwicklung gemacht und Selbstvertrauen bekommen. Die zwei werden immer mehr zu einem Duo, das sich optimal ergänzt.
Die TV-Quoten im Spiel gegen Dänemark waren mit bis zu 10,3 Millionen Zuschauern beachtlich. Da müssen Ihre Augen doch vor Freude funkeln.
Brand: Wer an der Entwicklung dieses Sports interessiert ist, der sollte sich angesprochen fühlen: Die Vereine, die Manager, die Schwenkers, die Holperts, die sich bisher arg auf Distanz halten. Wir müssen einen gemeinsamen Weg gehen und zusammen arbeiten, damit wir wieder eine Supermacht im Handball werden. Bisher bewegen wir uns irgendwo an der Grenze. Wir schaffen es immer durch besondere Anstrengungen, an die Weltspitze heran zu kommen oder uns auch mal kurzfristig in der Weltspitze zu etablieren. Aber bei dem Potenzial, das im Handball in Deutschland steckt, ist viel mehr drin.
Was verlangen Sie von den Klubs?
Brand: Es sind alle in der Verantwortung, die Jugendarbeit nach vorne zu treiben und sich zu engagieren. Damit in Zukunft nicht nur die ausländischen Spieler ganz andere Leistungssprünge machen.
Wie ist Ihre Meinung zum Profi-Schiedsrichter?
Brand: Die Schiedsrichter müssen sich als Teil der Handball-Gruppe verstehen und nicht als Gruppe außerhalb. Ich werde die Leistung der Schiedsrichter bei der WM analysieren und vielleicht einen Brief an die IHF schreiben. Ich weiß aber nicht, ob das da jemanden interessiert.