Nach EM-Aus: Olympia ohne deutsche Handballer
Belgrad (dpa) - Die deutschen Handballer haben das EM-Halbfinale verspielt und die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London endgültig verpasst. Pascal Hens stampfte nach der 32:33 (17:18)-Niederlage gegen Polen stocksauer aus der Halle.
„Zwei Tore“, raunzte der Kapitän schmallippig auf die Frage, was den deutschen Handballern zum Sieg gefehlt habe. Nach der Pleite in Belgrad herrschte im Team Sprachlosigkeit. Im letzten Hauptrundenspiel der EM hatte die Mannschaft von Bundestrainer Martin Heuberger auch die zweite Chance auf den großen Wurf vergeben: die Medaillenrunde.
Der Traum von Olympia platzte dann in den weiteren Partien. Ein Remis zwischen Ungarn und Kroatien in Novi Sad besiegelte das Aus. Nach Abschluss der Hauptrunde sind Gastgeber Serbien, Mazedonien und Slowenien vor dem deutschen Team und kämpfen um zwei vakante Plätze in einem Olympia-Qualifikationsturnier. Ein Sieg der Ungarn gegen Kroatien hätte Slowenien auf Platz vier der Gruppe II verdrängt und ein Entscheidungsspiel zwischen Deutschland und den Slowenien erzwungen. In London finden damit erstmals Olympische Spiele ohne deutsche Handballer statt. Obendrein ist die direkte Qualifikation für die WM 2013 in Spanien auch nicht erreicht worden.
In der Neuauflage des WM-Finales von 2007 versagten den deutschen Spielern die Nerven. Vor rund 2000 Zuschauern in der Arena Belgrad warfen Dominik Klein und Christian Sprenger (je 7) die meisten Tore für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). „Das haben die Jungs nicht verdient, die aufopferungsvoll gekämpft haben. Für diesen Kampf hätten wir mit einem Punkt belohnt werden müssen“, sagte Heuberger nach packenden 60 Minuten, in denen seine Mannschaft beim 30:29 in der Schlussphase erstmals in Führung gegangen war, diesen Vorsprung aber nicht halten konnte.
Besonders hart: Am Ende verlor die DHB-Auswahl Spielmacher Michael Haaß mit einer schweren Beinverletzung. „Er hat sich das Sprunggelenk luxiert. Der Arzt hat es wieder eingerenkt“, erklärte der Bundestrainer nach der Begegnung. Haaß wurde zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde der Bruch des rechten Sprunggelenks diagnostiziert. Haaß soll umgehend nach Hause reisen und dort operiert werden. Er muss mit einer Pause von vier Monaten rechnen.
Auch die deutschen Spieler ließen frustriert die Köpfe hängen. „Es ist schwer, Worte zu finden“, sagte der bitter enttäuschte Holger Glandorf. „Wir haben ein Ziel verpasst, das wir vor Augen hatten. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für eine Analyse. Ich bin ganz schön verärgert“, sagte Klein, der zwei Minuten vor dem Ende wegen groben Foulspiels die Rote Karte sah.
Zwei Tage nach dem verpassten vorzeitigen Halbfinal-Einzug durch das 26:28 gegen den WM-Zweiten Dänemark wollten die deutschen Handballer ihre zweite Chance auf die Medaillenrunde unbedingt nutzen. „Jetzt gibt es keine Ausrede mehr“, hatte Torhüter Silvio Heinevetter gesagt, der ein tadelloses Turnier spielte. Auch Heuberger war davon überzeugt, dass seine Spieler auch den riesigen Erwartungen gewachsen sein würden. „Wir haben schon so viel Druck gehabt bei dieser EM, das kann nicht mehr größer werden. Das motiviert die Mannschaft eher, als es sie hemmt“, meinte er, wurde aber dann eines Besseren belehrt.
In dem Spiel um alles oder nichts agierten die deutschen Spieler auf dem Feld erstaunlich emotionslos. Von dem am Vortag demonstrativ zur Schau gestellte Selbstbewusstsein war kaum zu sehen. Daher tat sich das Team um Spielmacher Haaß auch reichlich schwer gegen die Polen, die mit sieben aktuellen oder ehemaligen Bundesliga-Akteuren aufliefen.
Nach einem 2:4 (6.) geriet die DHB-Auswahl erst mit 7:10 (15.) und später mit 10:14 (21.) ins Hintertreffen, weil wieder einmal im Angriff vieles nicht rund lief. Doch bewiesen die deutschen Spieler erneut ihre kämpferischen Qualitäten und arbeiteten sich auf 15:15 (26.) heran, konnten aber nicht in Führung gehen. Vielmehr musste der engagiert vor der Wechselbank hin- und hertigernde Bundestrainer kurz vor Halbzeit noch einen Treffer der Polen und den 17:18-Rückstand mit ansehen.
In der zweiten Halbzeit wurde es nicht besser. Zögerlich und ängstlich traten die deutschen Spieler auf und produzierten dadurch Fehlwürfe und leichte Ballverluste. Immer, wenn die Chance zum Ausgleich bestand, versagten die Nerven. Die Polen nutzten dies konsequent. Beim 24:28 (45.) war der Rückstand wieder auf vier Tore angewachsen. Danach entdeckten die deutschen Spieler aber ihr Kämpferherz und drehten die Partie fast noch.