Interview mit Bernhard Langer „Golflehrer, das ist doch kein Beruf!“
Als Bernhard Langer sich vor 46 Jahren in den Kopf setzte, eine Golflehre zu beginnen, erntete er Kopfschütteln. Der Junge aus Anhausen wurde einer der besten Spieler der Welt. Ein Gespräch über Heimat, Religion und das Alter.
Herr Langer, wie fast jedes Jahr haben Sie im Sommer einige Tage in Ihrem Heimatort Anhausen (Landkreis Augsburg), obwohl Sie die restliche Zeit des Jahres in Florida leben. Warum kehren Sie immer wieder zurück?
Langer: Da gibt es viele Gründe. Zum einen bin ich hier aufgewachsen. In Anhausen steht mein Elternhaus, das meine Eltern selbst gebaut haben. Mein inzwischen verstorbener Vater war Maurer. Meine Mutter lebt noch und hat mit uns gerade gemeinsam ihren 95. Geburtstag gefeiert. Mein Bruder Erwin ist seit über 36 Jahren mein Manager und lebt auch hier. Somit habe ich hier meine deutsche Familie.
Was bedeutet Heimat für Sie als Pendler zwischen Amerika und Europa?
Langer: Heimat ist für mich immer da, wo meine Familie ist, meine Frau, meine Kinder. Heimat ist aber auch ein gemeinsamer Bibelkreis mit Freunden, die ähnlich denken und handeln. In Boca Raton, wo wir leben, haben wir eine tolle Kirchengemeinde mit vielen Gläubigen. Das ist für mein Leben unheimlich wichtig.
Als Kind haben Sie die katholische Kirche in Anhausen besucht und waren dort auch Ministrant. Ihre christliche Gemeinde in den USA orientiert sich dagegen am Protestantischen. Was hat Sie zu dieser Umorientierung bewogen?
Langer: In Amerika gibt es keine so eindeutige Festlegung in der Art katholisch oder evangelisch. Es gibt weit mehr als 20 verschiedene Richtungen. Unsere Lehre orientiert sich rein an der Bibel. In der Bibel steht beispielsweise nicht, dass man zur Mutter Gottes oder zu den Heiligen beten soll, auch wenn es die katholische Kirche so lehrt. Dabei ist es ganz einfach: bete zu Gott
Was bedeutet Ihr Glaube für Ihren Sport?
Langer: Mein Glaube ist sicher nicht der Grund dafür, dass ich erfolgreich bin. Aber er gibt mir Kraft und Festigkeit. Er hilft mir, gute und schwere Zeiten zu überstehen. In guten Zeiten, wie im vergangenen Jahr, als ich sieben Mal auf der Seniors Tour gewonnen habe, dass ich nicht überschnappe. Und in schweren Zeiten, wenn ich nicht mehr weiß, wie es weitergeht.
1972, vor nun 46 Jahren, haben Sie eine Golflehre begonnen. Golf war damals ein Exoten-Sport. Wie haben Ihre Eltern reagiert?
Langer: Das war für sie sehr schwer. Ich bin jetzt selbst Vater von vier Kindern und kann mir vorstellen, was sie damals durchgemacht haben. Ich war gerade mal 15 Jahre alt, hatte die Hauptschule beendet und habe ihnen gesagt, dass ich Golflehrer werden möchte. Für die Lehre im Münchner Golfclub musste ich wegziehen. Ich weiß noch, wie wir zum Arbeitsamt gingen. Als ich dort von meinem Wunsch, Golflehrer werden zu wollen, erzählt habe, sagte der Herr vom Amt, das wäre kein anerkannter Beruf. Es wäre vielleicht besser, etwas anderes zu machen. Und meine Eltern haben, mit der Erfahrung des Krieges, gewarnt: Wenn wieder ein Krieg kommt, kann sich kein Mensch mehr Golfspielen leisten. Doch ich war hartnäckig und habe mich durchgesetzt.
Mit herausragendem Erfolg, der bis heute anhält. Sie landeten auf dem 24. Platz bei den British Open?
Langer: Die Deutschen machen leider den Fehler, dass sie nur auf die Majors schauen, die vier wichtigsten Golf-Turniere der Welt. Natürlich habe ich dort gut gespielt, auch gegen die Jungen. Das ist schon etwas Besonderes, weil es nicht viele 60-Jährige gibt, die das können. Aber ich spiele im Jahr rund 25 Turniere, davon nur zwei gegen die Jungen. Den Rest spiele ich gegen meine Altersklasse.
Und auf der Seniors Tour spielen Sie ja auch seit Jahren konkurrenzlos gut.
Langer: Ja, aber das wird hier von den Medien leider so gut wie gar nicht wahrgenommen. Die Turniere, die ich spiele, zählen nicht für die Weltrangliste. Somit kann ich dort keine Punkte mehr bekommen. Aber viele Medien orientieren sich nur daran.
Ihre Wahlheimat Amerika hat sich aus deutscher Sicht seit der Präsidentschaft von Donald Trump extrem verändert. Wie erleben Sie das?
Langer: Grundsätzlich kann ich sagen, dass die Präsidenten der USA – egal welcher – in Deutschland immer ganz anders gesehen werden als von den Amerikanern selbst. Das gilt auch für Trump. Darüber hinaus aber möchte ich mich zu politischen Fragen nicht äußern.
Vom 28. Bis zum 30. September steht der nächste Ryder Cup an. Sie waren selbst schon Kapitän für das europäische Team. Werden Sie in Frankreich sein und den Team-Wettkampf gegen die USA verfolgen?
Langer: Ich habe mich entschlossen, in Amerika zu bleiben, denn wir haben dort eine Turnierserie, die für mich wichtig ist. Da ist es nicht einfach, nur für ein paar Tage nach Paris zu fliegen. Aber ich werde das Turnier so weit wie möglich am Bildschirm verfolgen und die Europäer anfeuern.
Deutschland hat sich schon mehrfach um den Ryder Cup beworben, doch es hat nie geklappt. Fehlt dem Golfsport hierzulande die Lobby?
Langer: Letztendlich geht es immer ums Geld. Wer den höchsten Profit garantiert, sei es über Sponsoren oder durch Steuerbefreiungen, bekommt den Zuschlag. Momentan liegen da Frankreich und Italien vor uns. Das heißt aber nicht, dass Deutschland nicht doch irgendwann mal den Zuschlag bekommt.
Wie beurteilen Sie die Situation der deutschen Golfspieler?
Langer: Wir hatten mit Kaymer einen Ausnahmegolfer. Für mich ist er das immer noch, auch wenn er zuletzt nicht mehr ganz so gut gespielt hat. Aber was er schon geleistet hat, ist unglaublich. Nummer eins der Welt, zweifacher Major-Sieger, bester Europäer. Dann wird es schon ruhiger. Alex Cejka schlägt sich gut über die Jahre, Marcel Siem hat einige Höhepunkte gehabt. Dann hat er seinen Schlag umgestellt und es wurde schwieriger. Aber alle Golfer versuchen, immer besser zu werden. Wenn man das nicht mehr versucht, ist das Stillstand oder Rückschritt. So geht es ja auch Tiger Woods. Er hatte auch gedacht, er könnte noch besser werden, obwohl er schon unglaubliches Golf gespielt hat. Es ging leider in die andere Richtung. Jetzt tut er sich schwer, nach allen Dingen, die passiert sind. Es gibt einige Jungprofis, die versuchen, den Weg einzuschlagen, aber man muss ganz klar sagen, dass das nicht einfach ist.
Entstehen im Golfsport Freundschaften?
Langer: Ja, weil man ja gemeinsam reist, in den gleichen Hotels wohnt, gemeinsam isst und die Trainingseinheiten gemeinsam spielt. Natürlich gibt es da auch anfangs einen Konkurrenzkampf, aber später, in meinem Alter, muss man sich nichts mehr beweisen und legt mehr Wert auf die Beziehungen und tiefere Freundschaften, wie bei mir mit Tom Lehman, Larry Mize, Scott Simpson oder Fred Funk.
Bewundernswert ist Ihre körperliche Fitness.
Langer: Gary Player hat uns das vorgemacht. Er ist inzwischen über 80. Und Tiger Woods. Das war der Nächste, der richtig Gewichte gehoben hat, was früher im Golf verpönt war. Nick Faldo und ich haben auch Fitness gemacht, aber auch noch etwas anders. Inzwischen machen es alle. 99,9 Prozent aller jungen Golfer treiben Fitness. Früher sind schon Einige nach der Runde auf dem Platz an die Bar gegangen, um Bierchen zu trinken. Mittlerweile leben die Profis ganz anders, viel gesünder und sie reisen mit einem Tross von Spezialisten und Helfern durch die Welt. Es gibt ja auch viel mehr Geld. Ich musste früher 30. werden, um meine Unkosten einzuspielen. Wenn die Jungen heute 30 werden, können sie sich ein gutes Leben leisten.
Apropos gutes Leben. Sie haben einiges verdient. Wie gehen Sie mit ihrem Reichtum um?
Langer: Ich glaube, er hat mich als Mensch nicht groß verändert. Ich bin nicht übergeschnappt, habe mir keinen Flieger oder verrückte Sportwagen gekauft. Aber natürlich ist das Geld sehr angenehm, weil ich erste Klasse fliegen kann, wenn ich will, und in besseren Hotels wohne als früher, wo schon mal kleine Tierchen durchs Zimmer liefen oder man im Auto geschlafen hat. Mir ist es aber auch möglich, etwas von meinem Wohlstand zurückzugeben und anderen zu helfen. So unterstützten wir als Christengemeinde viele Einrichtungen in den USA, vor allem solche, in denen der christliche Glaube eine Rolle spielt. Etwa Waisenhäuser der Organisation Live the Life, das Sheridan House für alleinerziehende Mütter oder meine eigene Bernhard-Langer-Stiftung. Es ist schön, wenn man anderen helfen kann.
Vor einem Jahr sind Sie 60 geworden, war das für Sie eine Art Einschnitt?
Langer: Für mich war es ein Jahr wie jedes andere. Der Körper weiß ja nicht genau, ob er 58 oder 61 ist. Das ist mehr eine mentale Geschichte. Mich hat das nicht sehr beeinflusst. Ich weiß zwar von Statistiken, dass man sich im Golfsport schwerer tut, in den späteren 50er und 60er Jahren Turniere zu gewinnen. Aber es gibt immer Ausnahmen und ich glaube, dass ich eine Ausnahme sein kann.
Das heißt, es gibt noch kein Datum, an dem Sie aufhören wollen?
Langer: Nein, im Moment nicht.