Heidler enttäuscht: „Nicht um Silber gekämpft“

Daegu (dpa) - Betty Heidler breitete die schwarz-rot-goldene Fahne aus, ein Lächeln brachte sie vor den Kameras nicht zustande. „Ich habe um Gold gekämpft, nicht um Silber“, sagte sie später mit zusammengepressten Lippen.

Die Hammerwurf-Weltrekordlerin ist nicht die Weltmeisterin.

Die Titelkandidatin Nummer eins im deutschen Leichtathletik-Team von Daegu konnte keinen goldenen Schlusspunkt setzen und war selbst am meisten enttäuscht über ihren zweiten Platz. „Das war nicht das, was ich wollte, nicht das, was ich kann. Ich kann mich nicht wirklich freuen.“

Bei der Siegerehrung schaute Heidler schon wieder etwas gefasster ins Stadionrund, küsste die russische Überraschungssiegerin Tatjana Lysenko und biss in ihre Silbermedaille. Ihr Heimcoach Michael Deyhle konnte sich auf der Tribüne kaum der Schulterklopfer erwehren, doch auch der Bundestrainer hatte sich zu seinem 60. Geburtstag am Dienstag Heidlers zweiten WM-Triumph nach Osaka 2007 gewünscht. „Die Trainingsergebnisse waren so gut, dass wir davon ausgegangen sind, dass es ein Selbstläufer wird“, räumte er ein. „Da ist etwas passiert, was ich nicht richtig erklären kann.“

Deyhle sprach von der „mentalen Tagesform“, die den Wettkampf entschieden habe. Heidler selbst sagte: „Das hat überhaupt keine Rolle gespielt, das war eine reine Konzentrationssache.“ Normalerweise hat die 27-Jährige Nerven hart wie der Draht, an dem die Stahlkugel ihres vier Kilo schweren Wurfgerätes hängt. Alle acht Wettkämpfe in diesem Jahr hat die Europameisterin gewonnen, ausgerechnet den wichtigsten „verlor“ sie.

Während Lysenko den Hammer im dritten Durchgang auf 77,13 Meter hinausschleuderte, kam Heidler nur schwer in Schwung: Der erste Wurf war ungültig, der zweite touchierte den Käfig, erst der fünfte landete bei 76,06. „Da war ich davon überzeugt, dass es jetzt noch kracht“, sagte Deyhle. Tat es aber nicht. Wenigstens hatte sein Schützling noch die Chinesen Wenxiu Zhang (75,03) übertrumpft. Heidler wollte eigentlich an ihren Weltrekordwurf von 79,42 Metern vom 21. Mai in Halle/Saale herankommen, aber davon war am letzten WM-Abend dann nicht mehr die Rede.

„Ich frage mich, wofür ich in den letzten Tagen trainiert habe. Bin überhaupt nicht in den Rhythmus reingekommen“, klagte die siebenmalige deutsche Meisterin, die mit ihrem ersten Olympiasieg 2012 in London den verlorenen WM-Titel wieder wettmachen könnte. „Wir haben Gold verloren, denn ich weiß ja was sie kann“, meinte Deyhle.

Ob er Lysenko über den Weg traut? Dazu wollte er nichts sagen: Die Weltmeisterin hatte nach einer positiven Dopingprobe 2007 ihren Weltrekord wieder hergeben müssen. Mit Platz sechs bei der WM 2009 in Berlin kehrte sie zurück, jetzt eroberte sie das Treppchen, auf dem Heidler sich schon sah. Ihre Trainingspartnerin Kathrin Klaas verpasste als Siebte mit 71,89 Metern erneut ihr erstes internationales Edelmetall und war genauso sauer: „Ich habe keinen einzigen Wurf richtig getroffen.“