Netz-Protest Video-Protest: Harting und Co. greifen Weltverband an
Frankfurt/Main (dpa) - Diskus-Olympiasieger Robert Harting und weitere deutsche Spitzen-Leichtathleten haben den Weltverband IAAF auf sehr scharfe und vor allem ungewöhnliche Weise attackiert.
Harting und seine Mitstreiter drehten ein YouTube-Video mit Aussagen wie „Wir können euch nicht mehr trauen“ oder „Ihr zerstört unseren Sport“ und protestieren damit massiv gegen den Umgang der IAAF mit den jüngsten Doping-Enthüllungen in ihrem Sport. In dem komplett in englischer Sprache gehaltenen Video hält 800-Meter-Läufer Robin Schembera ein Schild hoch, auf dem steht: „Ich möchte gegen saubere Athleten laufen - nicht gegen Monster.“
Die Botschaft von Hammerwerferin Kathrin Klaas lautet: „Euch ist das Geld wichtiger als die Athleten.“ Diskuswerferin und Harting-Freundin Julia Fischer meint: „Ihr habt meinen Kindheitstraum zerstört.“ Harting selbst erklärt in einer Anmoderation an die „liebe IAAF“: „Wir müssen jetzt handeln. Das ist, was wir zu sagen haben.“
Der Weltverband selbst reagierte auf das Video mit einer Einladung Hartings in seine Verbandszentrale in Monaco. „Wir würden uns freuen, wenn er zu uns kommen könnte und wir mit ihm sprechen könnten“, sagte IAAF-Sprecher Chris Turner am Montag. „Wir laden Robert herzlich in unser Büro oder zu einem unserer Wettkämpfe ein, damit wir ihm persönlich zeigen können, wie leidenschaftlich und engagiert auch unsere medizinische und unsere Anti-Doping-Abteilung jeden Tag gegen das Doping-Problem ankämpfen. Das könnte vielleicht einige seiner Bedenken zerstreuen und ihm zeigen, warum auch die Welt-Anti-Doping- Agentur WADA Vertrauen in unser Engagement hat.“
Von anderen Athleten erhielt die Video-Aktion dagegen breite Zustimmung. Der britische Weitsprung-Olympiasieger Greg Rutherford etwa twitterte: „Großartig zu sehen, wie andere Athleten für uns aufstehen. Gut gemacht, Rob. Ich bin stolz auf euch.“ Auch der deutsche 100-Meter-Rekordhalter Julian Reus forderte die IAAF via Twitter dazu auf, „über die Konsequenzen ihres Handelns für den Sport nachzudenken, den wir alle lieben“.
Die Leichtathletik wird seit mehr als einer Woche von neuen Doping-Enthüllungen der ARD und der britischen Zeitung „Sunday Times“ erschüttert. Die Journalisten hatten eine Datenbank der IAAF mit insgesamt 12 000 Bluttests von rund 5000 Läufern untersuchen lassen. 800 von ihnen sollen dopingverdächtige Werte aufgewiesen haben. Bei 146 dieser Athleten soll es sich um Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen handeln, die von 2001 bis 2012 in den Ausdauer-Disziplinen gestartet sind.
Harting und Co. sind der Meinung, dass die IAAF den Doping-Missbrauch nicht entschieden bekämpft, sondern eher vertuscht und geschehen lässt. Am Ende des Videos fordern sie den Verband zu Ehrlichkeit, Integrität und Transparenz auf. IAAF-Sprecher Turner meinte dazu, dass der Weltverband zwar die Leidenschaft und die Hingabe „aller sauberen Athleten“ für einen Sport frei von Doping begrüße. In diesem Fall würde der große Frust von Harting und seinen Mitstreitern aber auf einem „haltlosen Fernsehbericht“ beruhen.
Der Diskus-Olympiasieger hatte in der Doping-Debatte auch zuvor schon mehrfach gegen die IAAF Stellung bezogen. So ließ er sich 2014 von der Kandidatenliste zum „Leichtathleten des Jahres“ streichen, weil er dort nicht neben einem ehemaligen Doping-Sünder wie Justin Gatlin geführt werden wollte. Am Dienstagmittag will Harting bei einer Pressekonferenz in Kienbaum erklären, ob er an der WM Ende August in Peking teilnimmt oder nicht. Seit seinem Kreuzbandriss im vergangenen September hat der 30-Jährige noch keinen Wettkampf bestritten.