„Nur der Anfang“: Hamilton und Mercedes steuern Ära an
Abu Dhabi (dpa) - In der weltmeisterlichen Party-Nacht der Mercedes-Überflieger gönnte sich Lewis Hamilton nur einen Drink. Für den neuen King der Formel 1 soll der zweite Titel nicht mehr als eine Durchgangsstation sein.
„Ich bin ganz sicher noch nicht fertig, will noch stärker zurückkommen“, kündigte der Champion in Abu Dhabi mit breitem Lächeln an. Die Königsklasse muss sich auf eine lange Hamilton-Herrschaft einrichten, schon werden Vergleiche mit den Größten wie Ayrton Senna und sogar Rekordweltmeister Michael Schumacher laut. Für den knapp und bitter unterlegenen Nico Rosberg könnte dieser Hamilton auf Dauer zum Schreckgespenst werden.
Der Deutsche wusste in den dunkelsten Stunden seiner Karriere genau, wie schwer es wird, seinen Stallrivalen noch einmal so herauszufordern. „Es dauert ein bisschen, bis ich wieder die Motivation für das nächste Jahr finde, aber die wird schon kommen“, meinte Rosberg in einer Montag veröffentlichten Video-Botschaft noch immer betroffen. „Jetzt muss ich mich erst mal erholen von diesem Erlebnis, das dauert sicher eine Weile“, gestand der WM-Zweite, der eher wenig Lust auf seinen Einsatz bei den Abschluss-Testfahrten am Dienstag in Abu Dhabi verspürt.
Hamilton indes hielt am Morgen nach seinem Triumph in einem Luxushotel Hof, frisch und entspannt wie nach einem Wellnessabend. „Es war auf jeden Fall ein unglaubliches Gefühl, heute Morgen aufzuwachen“, verriet der 29-Jährige. Neben ihm blinzelte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff müde, ihn hatte die Feier der Rekordsaison mit 16 Silberpfeil-Siegen in 19 Rennen sichtlich mehr mitgenommen. „Wir haben nicht den Nachtclub zerstört, dafür aber uns“, bekannte der Österreicher.
Schon in den nächsten Tagen will Wolff ausgeruht einen neuen Vertrag mit seinem Weltmeister aushandeln. „Lewis ist ein superwichtiger Faktor für dieses Team. Wir werden jetzt ein paar Tage nachdenken und dann die Gespräche wiederbeginnen“, sagte Wolff. Hamiltons Kontrakt läuft Ende 2015 aus, doch der Superstar aus Stevenage plant eine Titel-Ära im Mercedes. „Ich fühle, dass das nur der Anfang ist. Mit einem Team wie diesem ist alles möglich“, erklärte er.
Hamiltons neues Selbstvertrauen dokumentiert seine Entscheidung, auf die Weltmeister-Startnummer 1 zu verzichten und auch künftig mit der 44 auf dem Dienstwagen zu fahren. „Die Nummer 1 ist toll, aber ich weiß auch so, dass ich die Nummer 1 bin“, sagte Hamilton, der die 44 sogar als Tattoo hinterm Ohr trägt.
Die Motorsport-Welt verneigte sich am Montag vor dem neuen Regenten. „Ein Titel ist besonders, zwei sind spektakulär“, twitterte Jenson Button, der 2009 als bislang letzter Brite den WM-Thron erobert hatte. „Es gibt keine Grenze für das, was Lewis jetzt erreichen kann. Es kommt nur darauf an, wie hungrig er bleibt“, befand PS-Legende Stirling Moss in einer Kolumne für die „Daily Mail“.
„Abu Dhabi Doo“, jubelte der „Mirror“ Hamilton aus der Heimat zu. „God save the king“, schrieb die spanische „Marca“, der Schweizer „Blick“ titelte: „Great Job, Lewis!“. Für die österreichische „Presse“ war es die „Triumphfahrt eines Vollblutrennfahrers“, für „Le Soir“ in Belgien „eine Mischung aus Draufgängertum und vor allem großer Reife“. Italiens „Gazzetta dello Sport“ warnte das weit zurückgefallene Ferrari-Team und seinen neuen Hoffnungsträger Sebastian Vettel vorsorglich vor dem „Monster aus Großbritannien“.
Die Scuderia reagierte am Montag auf eine völlig verkorkste Saison, in der zum ersten Mal seit 1993 kein Sieg gelungen war. Nach nicht einmal acht Monaten im Amt muss der glücklose Teamchef Marco Mattiacci schon wieder gehen, der erst im April Stefano Domenicali abgelöst hatte. Nun soll Maurizio Arrivabene den italienischen Rennstall gemeinsam mit Neuzugang Vettel zurück an die Spitze führen.
Bislang war Arrivabene Vize-Präsident beim Tabak-Konzern Philip Morris und vertrat die Sponsoren in der Formel-1-Kommission. „In dieser historischen Stunde für Ferrari und die Formel 1 benötigen wir jemanden, der nicht nur Ferrari vollständig versteht, sondern auch die Mechanismen und Bedürfnisse dieses Sports“, sagte Ferrari-Präsident Sergio Marchionne und offenbarte damit seine Unzufriedenheit mit Vorgänger Mattiacci.
Doch es wird schon mehr als weitere Personalrochaden benötigen, um Hamilton und Mercedes bald Einhalt zu gebieten. Der Weltmeister ist weiter voller Tatendrang. „Ich werde mich in den nächsten Wochen in der Fabrik so viel wie möglich einbringen, um es in die richtige Richtung zu lenken“, versicherte Hamilton.
Auch Rosberg konnte sich schließlich noch zu einer Kampfansage aufraffen. „Es war ein unglaubliches Jahr für meine persönliche Entwicklung, da nehme ich enorm viel mit“, beteuerte der gebürtige Wiesbadener und fügte tapfer hinzu: „Ich weiß, woran ich arbeiten muss. Und dann greife ich wieder an.“