Rosberg mit Rhythmusstörungen - Hamilton auf WM-Weg
Austin (dpa) - Nach der Ekel-Erfahrung mit Titelfavorit Lewis Hamilton in den USA wollte Nico Rosberg von einer Vorentscheidung im WM-Duell der Silberpfeile nichts wissen.
„Es ist schwieriger geworden. Zugleich habe ich im letzten Rennen noch eine Chance zu gewinnen, das ist eine Menge wert“, meinte der deutsche WM-Zweite nach dem Triumph seines Mercedes-Teamkollegen in Texas unverdrossen. Rosberg braucht nun ein kleines Formel-1-Wunder. Der fünfte Sieg des Briten in Serie war schließlich ein echter Wirkungstreffer. „Es gibt keine schlimmere Art und Weise im Rennen zu verlieren: Pole Position und dann überholt dich der Teamkollege mit dem gleichen Auto. Das ist ekelhaft“, sagte Rosberg, der zum zehnten Mal 2014 nur Zweiter wurde.
Auf der Zielgeraden der Saison hat Hamilton zur Bestform gefunden. Timing und Entschlossenheit stimmen. Mit 24 Punkten Vorsprung auf Rosberg reist er zum nächsten Rennen nach São Paulo. Rosberg hat nach seinem dritten zweiten Platz in Serie zumindest die Gewissheit, dass die endgültige WM-Entscheidung erst am 23. November in Abu Dhabi fällt, wo die doppelten Punktzahlen vergeben werden.
„Alle Möglichkeiten sind noch da. Es ist ein bisschen schwieriger geworden, ich kann aber noch im letzten Rennen Weltmeister werden“, sagte Rosberg, der vor der Reise nach Brasilien mit seiner Frau Vivian in Texas noch ein bisschen abschalten wollte. Soweit will es Hamilton aber nicht kommen lassen. Der Brite wirkte nach dem 32. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere sehr gelöst und verschwendete an seinen Rivalen keinen Gedanken: „Ich konzentriere mich auf mich. Ich gebe weiter alles“, betonte er.
Rechenspiele lassen Hamilton in der heißen Phase der Saison kalt. „Wenn Du nur daran denkst, was sein könnte, dann erreichst du vielleicht nicht, was du erreichen willst“, erklärte der 29-Jährige und sprach von einem „unglaublichen Lauf“ in diesem Jahr.
Laut „La Stampa“ ist die WM indes vorzeitig entschieden. „K.o-Schlag von Hamilton - Rosberg auf den Brettern“, titelte das italienische Blatt am Montag. Die britische „Sun“ verglich den Sieger mit einem Cowboy: „Wie in einem Hollywood-Western war Hamilton mit dem Finger am Abzug bereit und erledigte seinen Rivalen gnadenlos mit einem Schuss.“
Bei Rosberg ging's zu spät richtig los. „Ich habe zu lange gebraucht, um meinen Rhythmus zu finden. Als Lewis mich überholte hatte, habe ich meinen Rhythmus gefunden, da war es aber schon zu spät“, erzählte er mit Blick auf Hamiltons perfekt getimtes Überholmanöver in Runde 24. „Er hat zu dem Zeitpunkt vielleicht zu sehr auf den Reifen aufgepasst“, meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Den Österreicher treibt für die letzten beiden Rennen eine andere Sorge um. „Wir wollen, dass es ein cleaner Weltmeister wird. Das ist vielleicht die neue Regel, dass es sauber und fair und clean zwischen den beiden bis zum Ende abgehen muss“, mahnte Wolff. „Nicht clean wäre es, sich gegenseitig ins Auto zu fahren. Nico kann sich das schon gar nicht leisten, weil er Punkte verlieren würde. Das ist die Maßgabe. Wir wollen keine Senna-Prost-Situation haben.“
Konstrukteurs-Weltmeister Mercedes fordert von seinen Piloten ein Höchstmaß an Sensibilität und Seriosität. „Wir wollen am allerwenigsten, dass es im letzten Rennen einen Aufschrei gibt, weil es eben nicht sauber zugegangen ist. Die doppelten Punkte im letzten Rennen können alles auf den Kopf stellen“, sagte Wolff. Sogar kuriose Szenarien auf dem Weg dorthin sind denkbar. Rosberg könnte bei einem Hamilton-Sieg nächsten Sonntag in Brasilien sogar in Interlagos ausfallen, wenn er in Abu Dhabi gewinnt und der Brite dort wiederum ausscheidet. Dann wäre der Deutsche Weltmeister.
Rosberg hält, bis es vielleicht soweit ist, an seinem Mantra „volle Attacke“ fest. Er muss schließlich einen deutlichen Rückstand aufholen. „Es gibt noch eine Menge Punkte zu holen und eine Menge kann passieren. In Brasilien ist es möglich, es rumzudrehen“, beteuerte Rosberg. Hamilton will das nicht zulassen. Lieber will er bei seinem Teamkollegen erneut für ein Ekel-Erlebnis sorgen.