Silberpfeil-Debüt für Hamilton endet im Reifenstapel
Jerez de la Frontera (dpa) - Schon wieder kam der neue Silberpfeil in schwarzer Verpackung und auf der Ladefläche eines Lkw zurück in die Box. Lewis Hamilton war vorausgeeilt und wartete bereits auf sein demoliertes neues Auto.
Der Silberpfeil hatte den Nachfolger von Rekordweltmeister Michael Schumacher Minuten zuvor im Stich gelassen: Bei Hamiltons Testdebüt im Mercedes AMG F1 W04 versagten die hinteren Bremsen. Der Wagen zog plötzlich Rauschschwaden hinter sich her, Hamilton bekam die Kurve nicht und raste geradeaus durch den Kies. Erst die Reifenstapel brachten den Silberpfeil in Kurve 6 auf dem ehemaligen Grand-Prix-Kurs in Jerez de la Frontera unsanft zum Stehen. Verletzt hatte er sich bei dem Einschlag nicht. So konnte er es mit reichlich zeitlichem Abstand auch mit Humor nehmen. Auf die Frage, ob es eine positive Erkenntnis gebe, antwortete Hamilton: „Definitiv, ich lebe noch.“
Nachdem am Vortag Teamkollege Nico Rosberg nicht mal 60 Kilometer mit dem Wagen geschafft hatte, bis er von einem Elektronik-Problem gestoppt wurde, kam Hamilton auch nur auf 15 Runden à 4,428 Kilometer. Bitter. Fehlen Mercedes dadurch doch wichtige Daten für das weitere Tuning am neuen Silberpfeil, mit dem der deutsche Autobauer in die Erfolgsspur zurückfinden will.
Noch ärgerlicher, weil die Fahrer nach ihren ersten Runden zu PR-Zwecken am Montag schon begeistert vom neuen Wagen gewesen waren und nach wochenlanger Pause endlich wieder richtig Gas geben wollten. „Es ist schon ein bisschen traurig, den anderen beim Fahren zuschauen zu müssen“, gab Hamilton am späten Nachmittag nach dem Ende des zweiten Testtages zu. Zusammen schafften er und Rosberg nicht mal eine halbe Renndistanz: Genau 128 Kilometer.
Der wieder in mattem silber lackierte Wagen hatte deutliche Kratzer abbekommen: Frontflügel und Nase waren demoliert, ebenso die Radaufhängung vorne links. Wie schon am Vortag, als der Wagen auch noch Feuer gefangen hatte, wurde der W04 beim Abtransport so schnell wie möglich unter einer schwarzen Decke vor neugierigen Blicken der Konkurrenz geschützt.
Das eigentliche Problem soll eine durchgescheuerte Bremsleitung gewesen sein. Dadurch konnte Hamilton den Wagen praktisch nur noch mit den vorderen Bremsen verlangsamen. Die Neuverlegung der Leitungen war so aufwendig, dass das Team knapp drei Stunden vor dem offiziellen Ende des zweiten Testtages um 17.00 Uhr erklärte, dass der Mercedes am Mittwoch nicht mehr auf die Strecke zurückkehre.
Mit seiner auf den wenigen Runden erzielten Zeit hielt sich Hamilton allerdings zum Schluss auf dem sechsten Rang von elf Fahrern. Er war nur unwesentlich langsamer als Mark Webber in seinem Red Bull, auf die Spitze fehlten Hamilton allerdings über 1,3 Sekunden. Dort stand Lotus-Pilot Romain Grosjean.
Der Franzose unterbot auf seiner schnellsten Runde noch einmal die Bestmarke von Ex-Champion Jenson Button im McLaren vom Vortag. Webber reihte sich mit ebenfalls über einer Sekunde Rückstand auf Grosjean vor dem deutschen Sauber-Neuzugang Nico Hülkenberg auf dem vierten Platz ein. Zweiter wurde Paul di Resta im Force India, Dritter Daniel Ricciardo im Wagen von Red Bulls B-Team Toro Rosso.
Webber wird den neuen RB9 an diesem Donnerstag dem dreimaligen Champion Sebastian Vettel übergeben, der sich am Mittwoch auch schon auf dem Circuito de Jerez aufhielt. Mit Problemen wie Mercedes hatte das Weltmeister-Team bislang nicht zu kämpfen. Webber klagte lediglich, dass der neue Wagen etwas untersteuere. Insgesamt aber fühle er sich richtig wohl in der Weiterentwicklung des Weltmeister-Autos vom vergangenen Jahr.
„Klopft aufs Holz, wir haben nicht viele Testtage bis Melbourne“, meinte der 36-Jährige mit Blick auf sein Heimspiel und den WM-Auftakt am 17. März. Neben den Testfahrten bis Freitag in Jerez bekommen die Teams vom 19. bis 22. Februar und vom 28. Februar bis 3. März auf dem Circuit de Catalunya bei Barcelona noch mal die Möglichkeit fürs Feintuning an den neuen Autos. Genug Zeit also auch für den Mercedes, dauerhaft aus eigener Kraft in die Box zurückzukommen.