Kein Friedensgipfel in F1 Vettel droht Rennsperre nach Rammbock-Eklat
Baku (dpa) - Das Friedensgespräch mit Pisten-Rammbock Sebastian Vettel sagte Lewis Hamilton umgehend ab. „Er hat doch meine Nummer gar nicht. Ich gebe die Antwort auf der Strecke“, knurrte der Mercedes-Pilot nach dem Wut-Rempler des deutschen WM-Spitzenreiters beim Formel-1-Spektakel von Baku.
Vettels unglaubliches Adrenalin-Foul von Aserbaidschan brachte nicht nur das bislang so nette Titelrennen der beiden Topstars zur Explosion, sondern könnte für den Ferrari-Fahrer noch Folgen haben. Ein weiterer schwerer Regelverstoß wie dieser beim nächsten Rennen in Österreich, und der Hesse wird für einen Grand Prix gesperrt.
Von Einsicht und Abbitte war der 29-Jährige aber weit entfernt. „Wir sind Männer hier, wir sind nicht im Kindergarten“, begründete Vettel seinen Ausraster in der 19. Runde, als er Hamilton absichtlich ans linke Vorderrad gefahren war. Trotzig äußerte Vettel immer wieder sein Unverständnis über das Urteil der Rennrichter, das auch drei weitere Strafzähler für sein Sündenregister umfasste. Mit nun neun Foulpunkten ist der Heppenheimer auch dort ganz vorn, zwölf Zähler ziehen einen automatischen Bann nach sich.
„Vettel ist normalerweise ein vernünftiger Kerl. Ich verstehe das nicht, vielleicht ist er verrückt“, sagte Mercedes-Teamaufseher Niki Lauda. Tatsächlich verlor Vettel nicht zum ersten Mal in seiner Karriere auf der Strecke die Nerven. Vor allem seine nicht jugendfreien Schimpftiraden am Boxenfunk zeigten in der Vergangenheit immer wieder das hitzige Temperament des viermaligen Weltmeisters. Im Vorjahr beleidigte er sogar Rennleiter Charlie Whiting via Teamradio.
Doch Vettels Rammstoß von Baku, der die furiose Siegfahrt von Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo überschattete, hatte wohl niemand kommen sehen. „Wir wissen, wie er sein kann. Ich hätte trotzdem nie gedacht, dass sowas wie heute passiert“, sagte Hamilton. Der frühere Champion Damon Hill meinte: „Wenn du sowas im Straßenverkehr machst, wirst du verhaftet.“
Der Eklat am Kaspischen Meer könnte den Wendepunkt im bislang so harmonischen WM-Zweikampf der beiden Alphatiere markieren. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt können die Besten, die um den WM-Titel fahren, nicht mehr Freunde sein. Vielleicht haben wir heute die Grenzen des Respekts gesehen“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Dagegen wollte Vettel, der durch Platz vier im achten Saisonlauf nun 14 Punkte Vorsprung auf Hamilton hat, die Aufregung nicht verstehen. „Ich denke nicht, dass es viel zu bereden gibt. Ich werde mit ihm sprechen, wenn die Medien nicht dabei sind, und dann geht es weiter“, sagte Vettel.
Doch Hamilton verspürte vorerst keine Lust auf eine Aussprache mit seinem zuvor von ihm so hoch geschätzten Rivalen. „Ich will ihn nicht treffen, das könnte sonst eskalieren“, sagte der Brite, den die nötige Reparatur einer lockeren Nackenstütze während des Rennens auf Platz fünf zurückwarf. Für den 32-Jährigen dürfte der Knall von Baku ungute Erinnerungen an das vergiftete Duell mit Nico Rosberg aus den Vorjahren wecken, als sich die beiden Mercedes-Kollegen auf und neben der Strecke immer mehr in Scharmützel verstrickten.
Erleichtert über den Abschied von Rosberg hatte Hamilton zuletzt das Kräftemessen mit Vettel sichtlich genossen, weil er den Ferrari-Mann anders als seinen einstigen Teamgefährten als Gegner auf Augenhöhe anerkennt. So gab sich der Silberpfeil-Fahrer nach Vettels Entgleisung erst recht enttäuscht. „Wir sind Weltmeister, wir machen so etwas nicht“, tadelte Hamilton den WM-Führenden und nannte ihn ein schlechtes Vorbild für alle Nachwuchspiloten.
Für die „L'Équipe“ aus Frankreich steht nun fest: „Diesmal haben sich Lewis Hamilton und Sebastian Vettel offiziell den Krieg erklärt.“ Und die italienische „La Stampa“ konstatierte: „Vergessen wir das Lächeln und die Bekundungen gegenseitiger Achtung. Nach drei Monaten ist zwischen Vettel und Hamilton der Hass explodiert.“
Hamiltons Vorgesetzter Lauda fürchtet nach Vettels Attacke bereits die nächste Eskalationsstufe. „Irgendwann wird Lewis ihn schlagen, nicht mit dem Auto, sondern mit der Faust“, sagte der Österreicher, und meinte es wohl nur halb im Scherz.