Schweigen der Scuderia Vettels Ferrari-Team trauert um Marchionne
Budapest (dpa) - Mit Trauerflor um den linken Oberarm unternahm Sebastian Vettel nach dem Tod von Ferrari-Boss Sergio Marchionne den schweren Gang ins Formel-1-Fahrerlager von Ungarn.
In tiefer Trauer hisste die Scuderia die Flaggen mit dem sich aufbäumenden Pferdchen im Logo auf dem Motorhome auf halbmast - und hüllte sich nach dem Schicksalsschlag in Schweigen. Sowohl Vettels Teamchef Maurizio Arrivabene als auch sein Stallkollege Kimi Räikkönen wurden vor dem letzten Grand Prix vor der Sommerpause von ihren offiziellen Presseverpflichtungen am Donnerstag und Freitag entbunden.
Worte der Anteilnahme hatten längst andere Protagonisten geäußert. „Das ist ein trauriger Tag für uns alle in der Formel 1. Wir haben einen großen Unterstützer unseres Sports, einen leidenschaftlichen Wettbewerber, einen Mitstreiter und einen Freund verloren“, teilte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vor dem ersten Formel-1-Rennen nach dem Tod Marchionnes mit.
Nach unerwarteten Komplikationen bei einer Operation in Zürich hatte sich der Zustand Marchionnes so stark verschlechtert, dass er seine Arbeit als Fiat-Chef sowie als Präsident und Vorstandschef von Ferrari nicht wieder aufnehmen konnte. Vier Tage vor dem Grand Prix am Sonntag (15.10 Uhr/RTL) auf dem Hungaroring teilten die Italiener dann den Tod des 66 Jahre alten Spitzenmanagers mit.
„Der beste Weg, um sein Andenken zu ehren, ist auf seinem Erbe aufzubauen und weiter Werte wie Verantwortungsbewusstsein und Offenheit zu pflegen. Denn dafür brannte er“, sagte der neue Ferrari-Boss John Elkann und drückte Marchionnes Lebensgefährtin Manuela sowie den Söhnen Alessio und Tyler sein Mitgefühl aus.
Der Tod Marchionnes hinterlässt ein Vakuum beim Formel-1-Team, das Vettel endlich wieder zur Weltmeisterschaft führen soll. 17 Punkte fehlen dem zweimaligen Ungarnsieger in der Fahrer-Wertung auf den fünfmaligen Ungarnsieger und WM-Führenden Lewis Hamilton im Mercedes. Der Scuderia fehlt nun aber vor allem ein schonungsloser Antreiber.
Marchionne, dessen Markenzeichen die dunklen Pullover waren, machte mit seiner Kritik vor niemandem Halt. Weder vor Vettel noch vor Arrivabene noch vor Räikkönen. Schließlich bezeichnete er sich einmal selbst als „härtesten Kritiker“ des Formel-1-Engagements der Scuderia. Denkwürdig war Marchionnes Maßregelung für Räikkönen in Spielberg im vergangenen Jahr. „Manchmal scheint es, als ob er sich eine Auszeit nehmen würde. An manchen Tagen denke ich mir, dass er ein bisschen ein Nachzügler ist“, hatte Marchionne gegen Vettels schwächelnden Teamkollegen geätzt.
Marchionne war auch ein Befürworter einer neuen Nummer zwei. Ferrari-Zögling Charles Leclerc, der beim unterlegenen Sauber-Team schon 13 Punkte einfahren konnte, war dafür auserkoren. Mit einem 20-Jährigen für einen 38-Jährigen wollte Marchionne Vettel und Ferrari frische Impulse verleihen.
Marchionne war auch treibende Kraft hinter der Verbindung von Alfa Romeo und Sauber. Die Schweizer Wagen werden von einem Ferrari-Motor angetrieben, das Team selbst firmiert jedoch als Alfa Romeo Sauber. Alfa Romeo gehört wiederum zu Fiat Chrysler, Ferrari ist mittlerweile von dem Konzern abgespalten. Marchionnes Nachfolger Elkann muss sich auch hier positionieren.
Genauso in der Frage nach der Formel-1-Zukunft von Ferrari. Denn Marchionne hatte den neuen Besitzern immer wieder mit einem Ausstieg gedroht, sollte durch die Änderungen im Motorenreglement von 2021 an seiner Ansicht nach die DNA der Rennserie verloren gehen. „Er hat mit großartiger Leidenschaft, Energie und Einsicht geführt und alle um ihn herum inspiriert“, zollte Formel-1-Geschäftsführer Chase Carey Respekt. „Sein Mitwirken an der Formel 1 ist unermesslich.“