Leoparden im Milchwagen - Schleck zuversichtlich
San Benedetto (dpa) - Das Team ist neu, der Bus nicht. Erschöpft und voller Dreckspritzer im Gesicht kehrte Fabian Wegmann nach seinem mehr als 200 Kilometer langen Fluchtversuch bei der Fernfahrt Tirreno-Adriatico zum Bus seines aktuellen Arbeitgebers Leopard Trek zurück.
Er stieg aber nicht in ein Fahrzeug in den offiziellen Teamfarben, sondern betrat ein himmelblaues Gefährt, das ihm aus den letzten Jahren noch vertraut ist: Wegmann nahm im alten Teambus von Milram Platz. Mit ihm kletterten der Tour-Zweite Andy Schleck und Klassikerkönig Fabian Cancellara in den - für kurze Zeit geleasten - ausrangierten Van des abgewickelten deutschen ProTour-Rennstalls.
Das Team Leopard Trek, wegen seiner hochkarätigen Besetzung als „Real Madrid des Radsports“ gefeiert, macht im Moment die Erfahrung, dass mitunter kleine Schritte nötig sind, um hoch hinaus zu gelangen. Auch sportlich reißen die Luxemburger noch keine Bäume aus. Beim Teamzeitfahren zum Auftakt waren noch nicht alle an die Bärenkräfte Cancellaras gewöhnt. Dezimiert erreichte das Ensemble den Zielstrich. Der Ausreißversuch von Wegmann blieb ebenso erfolglos wie Schlecks Tempoverschärfungen auf den beiden längsten und schwersten Etappen.
Der stärkste Herausforderer des aktuellen Rundfahrt-Dominators Alberto Contador passierte im Pulk der Namenlosen das Ziel. „Ich stecke mitten in der Vorbereitung. Vor allem die Italiener sind hier mit viel größeren Ambitionen am Start. Ich wollte testen, wie weit ich schon bin“, wehrte Schleck Schlussfolgerungen über seine grundsätzliche Verfassung ab. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa äußerte er sich im Teamhotel in Chieti zufrieden über sein jetziges Niveau: „Ich bin stärker als zum gleichen Zeitpunkt 2010. Ich weiß jetzt doch noch nicht, wozu ich im Sommer in der Lage bin“.
Weniger zufrieden mit seiner eigenen Leistung ist der zweifache deutsche Meister Wegmann. „Ich habe mir hier mehr ausgerechnet“, bekannte er. Die Aussage klingt vertraut. Allerdings richtet sich Wegmann schnell wieder an der lässigen Zuversicht seines neuen Zimmerkollegen Andy Schleck auf. „Es ist toll, in einem solchen Weltklasseteam zu sein“, meinte Wegmann. Jetzt merke er den Unterschied „an ganz vielen Dingen: an der Vorbereitung, am Material, an der Organisation und selbst an den Unterkünften.“
Auch das Klima in der Truppe ist merklich anders. Der Kumpelfaktor scheint wichtiger als nackte Ergebnisse und finanzielle Fragen. Das Geld kommt vom Luxemburger Immobilienunternehmer Flavio Becca, der in ungewohntem Understatement darauf verzichtet, seinen Namen oder das Logo seines Unternehmens auf die Rennkleidung aufdrucken zu lassen.
„Unser Sportdirektor Kim Andersen hat nicht nur Sportler ausgesucht, die vom Leistungsvermögen her, sondern auch charakterlich zu uns passen“, erklärte Schleck. Die Hierarchien im Team sind flach. „Jeder erhält hier seine Chance“, ist Wegmann überzeugt. Deshalb ist er bereit, für Schleck - wenn es darauf ankommt - die allerletzten Kraftreserven zu mobilisieren. Bei der Tour de France im Juli also.
Die Tour ist Schlecks größtes Saisonziel. Ob er sich dabei mit Contador auseinanderzusetzen hat oder der Titelverteidiger gesperrt wird, kümmert ihn nicht. Seine Standardformel: „Wenn er fahren darf, soll er fahren. Wenn er gesperrt wird, dann ist er schuldig.“