Revolutionspläne: Radsport soll sauberer werden
London (dpa) - „Change Cycling Now“ will eine Revolution im Radsport einleiten und den umstrittenen UCI-Boss Pat McQuaid in die Wüste schicken.
Die Oppositions-Gruppe, die von dem australischen Großsponsor Jamie Fuller gegründet wurde, hat in London in einer zweitägigen Klausurtagung einen detaillierten Schlachtplan gegen die Politik des Radsport-Weltverbandes UCI erstellt. Eine Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Dopingvergangenheit, ein unabhängiges Untersuchungsgremium zu den Bestechungsvorwürfen gegen die UCI-Spitze und eine vom Dachverband getrennte Dopingkontrollabteilung sind die wichtigsten Bestandteile einer „Charta der Willigen“, die die Gruppe verabschiedete.
Die spektakulärste Forderung ist aber die nach dem Rücktritt McQuaids und der Aberkennung der Ehrenpräsidentschaft für dessen Vorgänger Hein Verbruggen. „Das gibt es in keinem Rechtsstaat, dass eine Person im Amt bleibt, während eine Untersuchung gegen ihn im Gange ist“, empörte sich der Ex-Radprofi Jörg Jaksche, der als bislang einziger Deutscher bei „Change Cycling Now“ aktiv ist, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Als Übergangspräsidenten brachte die Gruppe den dreimaligen Tour de France-Sieger Greg LeMond in Position. Als Kandidat für die regulären Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr kristallisiert sich allerdings der australische Doping-Analytiker Michael Ashenden heraus.
Oft wird ein geplanter Umsturz mit Hinterzimmern von Kneipen oder düsteren Katakomben in Verbindung gebracht - der im Business-Center eines Londoner Hotels erdachte Umbau des Radsports kommt anders daher. Er ist von Beginn an mit professioneller PR begleitet. Der Forderungskatalog ist gleich eine „Charta“. Alle Beteiligten sind mit Bild und Kurz-Vita in einem Dossier vorgestellt. Clever inszeniert war auch der Einmarsch der „Gladiatoren“ zur Pressekonferenz. Angeführt wurde die Riege von der früheren Armstrong-Masseurin Emma O'Reilly.
O'Reilly machte die Motivation deutlich, die sie mit vielen der Männer in der neuen Organisation verband: Die Wut über den Starrsinn und die Unbeweglichkeit der aktuellen UCI-Spitze. O'Reilly hatte schon vor längerer Zeit ihre Bereitschaft signalisiert, vor der UCI über die Doping-Praktiken im Armstrong-Universum auszupacken. McQuaid hätte sogar einen privilegierten Zugang zu ihr haben können. „Mein Bruder fuhr jahrelang gemeinsam Rennen mit einem Sohn von Pat McQuaid. Er hätte einfach nur Hallo zu sagen brauchen. Aber er hat sich nicht für das interessiert, was ich zu sagen hatte“, meinte O'Reilly, irischer Nationalität wie McQuaid auch. Sie wertete den vermiedenen Kontakt als Beleg für das Nicht-Wissen-Wollen.
Andere Konferenzteilnehmer gingen noch einen Schritt weiter und bezeichneten Manipulation von Informationen und ein Klima der Angst als die Gründe, warum sie sich am Frontalangriff auf die Führungsspitze der UCI beteiligen. Der Antidoping-Kampf werde sicher erfolgreicher und effektiver, „wenn nicht die UCI die Fahrer bestimmt, die Kontrollen unterzogen werden, sondern wenn unabhängige Experten entscheiden, wann welcher Fahrer auf welche Substanzen untersucht wird“, sagte der Blutdoping-Experte Ashenden der dpa.
Sponsor Fuller gab Einblicke in das Geschäftsgebaren McQuaids. „Sein Operationsmodus weist Parallelen zu dem von Armstrong auf. Er besteht aus Schikanieren, Bedrohen und Einschüchtern“, sagte Fuller und erläuterte gegenüber dpa: „Ich habe mit einem Dutzend Sportlern gesprochen, ob sie mit nach London kommen wollten. Doch am Ende haben alle abgesagt, weil sie Angst hatten, sich gegen die UCI zu stellen. Es befand sich auch eine Person aus Deutschland darunter.“ Diese Furcht treibe auch viele Sponsoren um, die abhängig von Auftritten bei PR-trächtigen Rennen sind.
Der Treibstoff von „Change Cycling Now“ ist ein Unbehagen an dieser Art von Management. Wenn dieses Unbehagen weiter verbreitet ist, auch unter Radsportfunktionären zum Beispiel, dann hat die gerade gegründete Initiative trotz ihrer formalen Machtlosigkeit tatsächlich die Chance zur Veränderung.