Sturz-Drama in Le Havre: Martin sagt Tour „Au Revoir“

Le Havre (dpa) - Tony Martin stand die Enttäuschung ins bleiche Gesicht geschrieben, als er der Tour de France tieftraurig „Au Revoir“ sagte.

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„Bis zum Etappensieg war es eine Achterbahn der Gefühle. Der heutige Tag setzt dem Ganzen die Krone auf. Das ist bitter. Solche Geschichten kann nur die Tour de France schreiben. Ich hoffe, dass der Tag kommt, an dem ich darüber schmunzeln kann“, sagte ein sichtlich geknickter Tony Martin auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Teamhotel Le Lion D'Or.

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Unmittelbar vor ihm war sein Gelbes Trikot platziert, die letzte Erinnerung an atemberaubende Tage bei der 102. Frankreich-Rundfahrt. Denn nach der sechsten Etappe von Abbeville nach Le Havre stand fest: Martin hat einen offenen Schlüsselbeinbruch erlitten und muss aufgeben. Noch am Abend ging der Flieger nach Hamburg, wo er in der Nacht im BG-Unfallkrankenhaus operiert werden sollte. „Die OP wird ein Puzzle, ist aber ein Routine-Eingriff. In sechs Wochen kann er wieder Rennen fahren“, sagte Teamarzt Helge Riepenhof der dpa.

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Vier Stunden vorher hatte sich das Malheur weniger als 1000 Meter vor dem Ziel in Le Havre ereignet, als er auf seine linke Schulter krachte. Eskortiert von Teamkollegen quälte sich Martin mit großen Schmerzen bis ins Ziel. „Ich wollte mir die Möglichkeit offen halten, noch an den Start zu gehen“, erklärte Martin, der aber schon ahnte, dass etwas gebrochen ist.

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Die Bestätigung erhielt er schließlich in der mobilen Röntgenstation der Tour. „Das Schlüsselbein ist außen in mehrere Teile gebrochen. Ein Knochenteil durchdrang die Haut“, erklärte Riepenhof. Teamchef Patrick Lefevere bedauerte Martins Ausfall: „Er wird uns in den nächsten Tagen im Sprintzug von Cavendish und im Mannschaftszeitfahren fehlen.“

In der Vergangenheit hatten Fahrer mit einem Schlüsselbeinbruch die Rundfahrt auch schon fortgesetzt, wie etwa Tyler Hamilton (1999) oder Pascal Simon - damals auch in Gelb (1983). Der Chirurg habe Martin jedoch gesagt, dass es unmöglich sei weiterzufahren, erklärte Teamchef Lefevere dem französischen Sender „Europe 1“.

Zu gern wäre er nochmal in gelb gestartet. Der 30-Jährige verteidigte seine Spitzenposition mit zwölf Sekunden Vorsprung auf Christopher Froome erfolgreich, weil er innerhalb der Drei-Kilometer-Marke zu Fall kam. In diesem Streckenabschnitt vor der Ziellinie werden bei Stürzen die Zeitrückstände nicht berücksichtigt. Wenig später war mit dem verkündeten Rückzug die Führung aber dahin. Auch der Sieg von Etixx-Teamkollege Zdenek Stybar (Tschechien) konnte keinen im Team wirklich trösten. „Es tut mir leid, dass mein Sturz den Sieg überschattet hat“, meinte Martin.

Es war eine verrückte Tour für den Wahl-Schweizer, der beim Auftakt-Zeitfahren die erste Chance auf sein erstes Gelbes Trikot um fünf Sekunden verpasst hatte. Am zweiten Tag fehlten noch drei Sekunden. Nach der dritten Etappe war er nur noch eine Sekunde entfernt. Am vierten Tag klappte es dank seines famosen Sieges in Cambrai. Am fünften Tag verteidigte er sein Gelbes Trikot und am sechsten kam er zu Fall.

Dass John Degenkolb seinem Happy End erneut vergeblich hinterherjagte, passte an dem so bitteren Tag für die deutschen Radprofis ins Bild. Degenkolb landete nach 191,5 Kilometern von Abbeville nach Le Havre hinter Stybar, dem Slowaken Peter Sagan und Bryan Coquard aus Frankreich auf dem vierten Platz. Der Klassikerkönig, der schon vier zweite Plätze in seiner Tour-Karriere belegte, muss damit weiter auf einen Sieg bei der Frankreich-Rundfahrt warten.

Die Schlüsselszene des Rennens war aber der Martin-Sturz. Der Deutsche fuhr einen kleinen Schlenker, touchierte den Franzosen Warren Barguil, wodurch schließlich auch Vorjahressieger Vincenzo Nibali zu Fall kam. Der Italiener überstand das Malheur aber unverletzt. „Das ist unglaublich. Ich weiß gar nicht mehr, wie es passiert ist“, sagte Martin.

Immerhin behielt André Greipel sein Grünes Trikot, auch wenn für das Kraftpaket beim schweren Finale in Le Havre ein dritter Tagessieg nicht möglich war. Der gebürtige Rostocker liegt nur noch drei Punkte vor Sagan.

Auf der Fahrt durch die Normandie setzte sich zunächst eine dreiköpfige Ausreißergruppe in Szene. Der Belgier Kenneth van Bilsen, der Franzose Perrig Quéméneur und Daniel Teklehaimanot aus Eritrea rissen sechs Kilometer nach dem Start aus und fuhren zwischenzeitlich einen Vorsprung von über zwölf Minuten heraus. Auch wenn das Unterfangen erfolglos blieb, zahlte sich die Flucht für Teklehaimanot aus. Dank der gewonnenen Bergwertungen unterwegs übernahm er als erster Afrikaner das Gepunktete Trikot bei der Tour.

Seinen ersten Auftritt im neuen Gewand hat Teklehaimanot auf der siebten Tour-Etappe, wenn es über 190,5 Kilometer von Livarot nach Fougères geht. Martin, bislang der Träger des Gelben Trikots, ist dann nicht mehr dabei.