Tod von Andreas Kappes schockt die Radsportwelt
Auf einen Insektenstich folgen allergische Reaktion und Herzversagen. Am Mittwoch steigt die Tour de Neuss, deren sportlicher Leiter der 52-Jährige war.
Neuss. Stephan Hilgers ist geschockt. Am Montagabend waren sie die Strecke der Tour de Neuss noch einmal abgefahren. Das Straßenrennen der Radprofis in Neuss dominiert am heutigen Mittwoch von 15 bis 22 Uhr die Stadt Neuss. Im vergangenen Jahr waren mehr als 20 000 Zuschauer dabei, weniger werden es wohl auch am Mittwoch nicht werden, wenn deutsche Star-Sprinter wie André Greipel und Rick Zabel an den Start des Eliterennens gehen werden (ab 19.15 Uhr).
Hilgers als erster Vorsitzender des Neusser Radvereins NRV 1888/09 e.V., ein weiterer Kollege aus dem Vorstand und Andreas Kappes, der Sportliche Leiter der Tour machten sich auf. Alle in Kappes’ Pkw. „Wir waren mit Tiefbauarbeiten nicht ganz zufrieden und wollten uns das noch einmal ansehen“, schildert Hilgers. Nach getaner Arbeit lässt Andreas Kappes die beiden an ihrer Stammkneipe raus und verabschiedet sich: „Wir sehen uns morgen früh.“
Am nächsten Morgen wird Hilgers um 6 Uhr vom Telefon geweckt. Die Nachricht ist schlimm: Andreas Kappes ist tot, gestorben in der Nacht zu Dienstag unter dramatischen Umständen: Ein Insekt hat den 52 Jahre alten ehemaligen deutschen Top-Rennfahrer gestochen. Kappes reagiert allergisch, bricht mit Herzversagen zusammen und stirbt im Krankenhaus. Er hinterlässt zwei Kinder aus erster Ehe und seine zweite Ehefrau, die Hochzeit hatte erst im Frühjahr dieses Jahres stattgefunden. „Es ist schlimm“, sagt Hilgers. Kappes hatte zuletzt die sportliche Leitung der Tour de Neuss inne, war irgendwie „immer beteiligt“, sagt Hilgers, heiute steigt die 17. Tour de Neuss. „Ich glaube, nur beim ersten Mal hat Andreas gefehlt. Wir hatten ein freundschaftliches Verhältnis“, erzählt Hilgers. „Der Schock ist extrem tief.“ Ausfallen soll das Rennen aber nicht. Alle Rennfahrer werden einen Trauerflor tragen, es wird eine Gedenkminute geben. „Wir ziehen das im Sinne von und für Andreas durch“, sagt Hilgers, der den Radsport-Star, Sohn der Berliner Radsportlegende Werner Kappes, immer „herzlich und aufgeschlossen“ erlebt hat.
Wie nur wenige Profis in seiner Generation feierte Kappes sowohl auf der Bahn als auch bei Straßenrennen Erfolge. „Das war einmalig, wie er das durchgezogen hat“, sagte Rolf Aldag nach der Nachricht vom Tod seines Ex-Kollegen. . Auch er oder Erik Zabel waren im Winter bei Sechstagerennen am Start — „aber nicht bei zehn oder zwölf“, erinnert Aldag an die Strapazen. Kappes sei zu der damaligen Zeit „taktisch einer der besten Rennfahrer“ Deutschlands gewesen, beschrieb der 49-Jährige seinen früheren Kontrahenten. „Um Andi zu schlagen, musste man nicht nur besser sein, sondern auch etwas Glück haben. Er hat immer großen Aufwand betrieben und die Moral gehabt, das hat ihn als Rennfahrer ausgemacht. Als Sportler war er sehr, sehr ehrgeizig.“
Der gebürtige Bremer Kappes fuhr unter anderem für das Team Telekom und Gerolsteiner, gewann Etappen bei der Tour de Suisse, beim Giro d’Italia sowie Paris-Nizza und nahm fünfmal an der Tour de France teil. 1992 war er für Telekom bei der Frankreich-Rundfahrt am Start. Auf der Bahn feierte er 24 Siege bei insgesamt 115 Teilnahmen an Sechstagerennen. 1997 war er wegen eines Verstoßes gegen die Doping-Bestimmungen nach seinem deutschen Meisterschaftssieg im Punktefahren zeitweise gesperrt gewesen. Er war positiv auf Amphetamine getestet worden und redete sich wie so viele Sportler dieser Zeit heraus: Versehentlich habe er auf der Dopingliste stehende Appetitzügler von seiner schwangeren Frau eingenommen habe, die seine Tochter mit Vitaminpräparaten durcheinandergebracht habe. Kappes war ehrgeizig, ein strahlender Radsportheld aber war er nie.
Erst 2008 beendete er mit 43 Jahren seine Profikarriere, am liebsten höätte er weitergemacht. Die Ehe scheiterte, das Geld war hinfort, zwischenzeitlich putzte er in Köln Fenster. Und fand — ganz Kämpfer - wieder den Anschluss im Radsport, arbeitete unter anderem für eine Firma, die Trainingskontrollsysteme für Rennfahrer herstellte. Auch nach seiner aktiven Zeit war er noch regelmäßiger Gast bei Sechstagerennen. „Das ist meine zweite Familie“, sagte Kappes vor acht Jahren.
Von solcher allergischer Reaktion auf Insektenstiche habe die Familie nichts gewusst. Wohl aber ein befreundeter Radfahrer, wie Hilgers erzählt. Schon einmal habe Kappes allergisch reagiert, seinerzeit im Training unter Profis. Allerdings keinesfalls so heftig, wie es jetzt der Fall gewesen sein muss, der ein Leben viel zu früh beendet hat. Am Mittwoch wird Trauer über der Tour de Neuss liegen.