Voigt: Edelhelfer, Sprücheklopfer, Tour-Haudegen
Albertville (dpa) - Jens Voigt ist der älteste Tour-Fahrer in diesem Jahr - am Mittwoch fuhr er aber fast allen Jungspunden auf und davon. Der Berliner ist in Frankreich ein Idol, in seinen Teams absolut respektiert und für die „L'Équipe“ gar der beste Helfer dieser Rundfahrt.
Wieder einmal haben alle seinen Namen gerufen, angefangen vom völlig aufgelösten Kommentator im französischen Fernsehen („Jens Woigde, Jens Woigde!“), über die verzückten Fans im Ziel („Jens, Jens!“) bis hin zu Teamkollegen und Kontrahenten („Bravo Jensie!“). Der Altmeister aber blieb ganz cool, rollte erstmal zum Teambus, trank einen großen Schluck Wasser und stellte sich dann den Fragen der verblüfften Reporter. Mit seinem Husarenritt über vier Berge und dem beachtlichen dritten Rang auf der 10. Etappe war Jens Voigt in die Geschichtsbücher der Tour de France gefahren. „Interessanter Fakt...“, twitterte er am Mittwoch.
Ein verschmitztes Lächeln muss man sich bei jedem dieser Kommentare dazudenken. Voigt ist in der 109-jährigen Historie der Rundfahrt der zweitälteste Fahrer, der unter die besten Drei einer Etappe kam - Pino Cerami war bei seinem Tagessieg 1963 noch ein paar Monate älter. Es sind aber nicht Zahlen, Siege oder Punkte, denen der Berliner den Rang als Tour-Ikone verdankt. Voigt gilt als Musterprofi, der auch mit seinen 40 Jahren manch einem Jungspund noch das Hinterrad zeigen kann - wie etwa auf dem Tagesabschnitt nach Bellegarde-sur-Valserine.
„Es ist immer gut, wenn man sich beweisen kann, dass der Körper noch funktioniert und man nicht nur durch Glück ins Tour-Team gerutscht ist“, sagte Voigt am Mittwochnachmittag. Beim Thema Alter kokettiert der Routinier gern - ein Fünkchen Ernsthaftigkeit und Erleichterung dürften aber in Aussagen wie diesen auch stecken.
Nach der Fusion seines Vorjahres-Teams Leopard mit RadioShack war die teaminterne Konkurrenz um ein Ticket für die Tour gestiegen, und Voigt konnte sich nicht sicher sein, zum 15. Mal nach Frankreich reisen zu dürfen. „Auf einen Jens Voigt kann man eigentlich nicht verzichten“, meint Brian Nygaard. Der Däne hatte als Teammanager von Leopard den Deutschen nach Luxemburg gelockt und selbstverständlich 2011 auch für die Tour nominiert. „Jens ist ein fantastischer Athlet, der alles für seinen Sport gibt und im Team auch für eine tolle Moral sorgt“, sagte Nygaard der Nachrichtenagentur dpa.
Apropos Team: Das französische Tour-Fachblatt „L'Équipe“ erklärte Voigt Anfang der Woche unter den 198 gestarteten Fahrer zum besten Helfer dieser Rundfahrt. Neben Mark-Cavendish-Adjutant Bernhard Eisel aus Österreich ackere Voigt am meisten für seine Kapitäne. Zugute kommt dem gebürtigen Mecklenburger dabei seine ganze Erfahrung von nunmehr 15 Frankreich-Rundfahrten - ein deutscher Rekord.
Bereits in den vergangenen Jahren hatte er immer wieder mit einem Rücktritt geliebäugelt. Ein Haus im Berliner Grunewald, eine Familie mit sechs Kindern und ein Hund ließen ihm aber keine andere Wahl, witzelt er gern. Da die Fitness stimmte, sprach nichts mehr gegen ein Weitermachen. Nach der langen Solofahrt, der Tortur über den Grand Colombier und dem spannenden Schlussspurt erklärte er am Mittwoch, einfach nicht daran zu denken, dass er schon etwas älter sei.
In punkto Schlagfertigkeit und Eloquenz kann dem Tour-Haudegen ohnehin kaum einer das Wasser reichen. Auf die Frage, wie seine 40 Jahre alten Knochen denn eine so schwere Etappe überhaupt meistern könnten, zitierte Voigt einfach mal die Lauflegende Emil Zatopek: „Ich möchte, dass ich gute Beine habe, und habe sie dann auch.“