Federer: Turbo-Heilung vor Davis-Cup-Showdown

Lille (dpa) - Auf dem fragilen Rücken von Roger Federer ruhen die Hoffnungen einer ganzen Tennis-Nation. Die Schweiz spielt gegen Frankreich um den ersten Davis-Cup-Triumph ihrer Geschichte, und richten soll es in Lille ausgerechnet der vor wenigen Tagen noch indisponierte Superstar.

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In welchem Zustand der Weltranglistenzweite nach einer Turbo-Heilung zu seinem ersten Einzel am Freitag gegen Gael Monfils antreten kann, verriet er nicht. „Das werden wir sehen“, ließ der smarte Baseler bei der Auslosung wissen. „Eine Antwort darauf werden wir erst im Spiel bekommen.“ Aber allein die Anwesenheit von Federer beflügelt das Schweizer Team.

„Es ist großartig, dass Roger spielen kann“, sagte Auswahlkollege Stanislas Wawrinka, der das Finale mit einem Spiel gegen Jo-Wilfried Tsonga am Freitag eröffnen wird, sichtlich erleichtert. Nach der Schweizer Niederlage bei der bisher einzigen Final-Teilnahme 1992 gegen die USA mit den Superstars Agassi, Sampras, McEnroe und Courier stehen die Chancen auf den historischen Coup diesmal viel besser.

Dabei mussten die Eidgenossen nach Federers Final-Absage bei der ATP-WM am vergangenen Sonntag noch mit dem Schlimmsten rechnen. Selbst der 33-Jährige hatte zu Wochenbeginn noch ein mulmiges Gefühl. Dann aber folgte am Mittwoch und Donnerstag das kollektive Aufatmen. Mit einem Longsleeve-Shirt, Rollkragen und Stirnband kehrte Federer auf den Indoor-Sandplatz zurück. „Die Dinge laufen gut, ich bin richtig happy“, verkündete der 17-malige Grand-Slam-Sieger.

Für den Fast-Alles-Gewinner aus Basel ist der opulente Davis Cup neben der olympischen Goldmedaille im Einzel die einzige Trophäe, die in der glorreichen Karriere noch fehlt. „Ein Sieg wäre das Schönste“, verriet Federer nach seiner Ankunft in Nordfrankreich. „Aber es wird ganz schwer, wegen der Fans und wegen der Gegner.“ Vor 27 000 Zuschauern in einem ausverkauften Fußballstadion wie nun in Lille hat selbst der Rekordmann aus der Schweiz noch nie gespielt.

Dazu kommt, dass die Gastgeber um Monfils, Tsonga und das Doppel Julien Benneteau/Richard Gasquet schon eine Weile intensiv für ihren Traum trainieren, den wuchtigen Silberpokal zum zehnten Mal nach Frankreich zu holen. Federer und Wawrinka dagegen waren zuletzt noch beim ATP-Finale in London im Einsatz und lieferten sich dort ein atemberaubendes Halbfinale, das in einem Verbalzwist zwischen Wawrinka und Federers Frau Mirka gipfelte.

Die Differenzen sind ausgeräumt, die Doppel-Olympiasieger von 2008 fühlen sich bereit für Frankreich. Ein Sieg in Lille wäre vor allem für Federer ein Happy End: Seine Davis-Cup-Karriere hatte im April 1999 als „Liebesgeschichte“ begonnen, wie er selbst sagte, blieb dann aber so lange unerfüllt. Weil der Superstar jahrelang keinen starken Partner an der Seite hatte, war beim wichtigsten Teamwettbewerb an ein Finale nicht zu denken. Genervt ob der Chancenlosigkeit sagte der Branchenprimus immer mal wieder seine Teilnahme ab.

Doch in diesem Jahr ist der Ehrgeiz bei Federer zurück, immer wieder betonte er, dass ein Finalerfolg zum Saisonabschluss sein großes Ziel sei. Und womöglich hat er es am Sonntag selbst in der Hand: Sollten er, Wawrinka und das Doppel Marco Chiudinelli/Michael Lammer bis Samstagabend zwei Punkte gewonnen haben, kann Federer gegen Tsonga alles klar machen. Und falls zu dem Zeitpunkt der Triumph schon feststeht, wird er sich über einen gemütlicheren Nachmittag auch nicht beschweren - und sein malader Rücken erst recht nicht.