„Viel Schatten“ bei Kanu-WM - Brendel einzige Ausnahme

Moskau (dpa) - Nur Sebastian Brendel durfte lächeln - ansonsten blieben die Mienen im Lager der deutschen Kanuten ziemlich finster.

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Mit der Goldmedaille über 1000 Meter bewahrte das Canadier-Ass seine Mannschaft bei den Weltmeisterschaften in Moskau immerhin vor einem kompletten Fehlstart in die Finalwettkämpfe; ansonsten reichte es am Samstag über die olympischen Strecken zu keinem weiteren Podestplatz. „Sebastian hat die Angelegenheit aus unserer Sicht gerettet. Es gab viel Schatten und etwas Licht dank ihm“, gestand Verbandschef Thomas Konietzko mit Blick auf gleich mehrere gescheiterte Leistungsträger.

Olympiasieger Brendel zeigte im C1 über die Mittelstrecke seine gewohnte Klasse und heimste den ersten WM-Titel in seiner Paradedisziplin ein. Kurz darauf legte der 26-Jährige sein zweites Gold auf der nicht-olympischen 5000-Meter-Langstrecke nach, auf der sich Max Hoff im Kajak-Einer zudem Silber sicherte. Nur drei Medaillen bei den ersten elf Entscheidungen - wahrlich keine gute Bilanz für den erfolgsverwöhnten Deutschen Kanu-Verband.

Brendel lieferte sich über 1000 Meter lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Brasilianer Isaquias Queiroz dos Santos und demonstrierte große Stärke. Sein Konkurrent aus Südamerika konnte sich kurz vor dem Ziel dagegen völlig erschöpft nicht mal mehr im Boot halten, fiel ins Wasser und wurde deshalb sogar aus der Wertung gestrichen.

„Was habe ich dafür gearbeitet! Aber ich war auch noch nie so kaputt“, verkündete Brendel nach einer Fabelmarke von 3:44,578 Minuten: „Das war die bislang schnellste Zeit über 1000 Meter - die Weltbestzeit wollte ich immer knacken.“ Der Sieg seines Schützlings erfreute auch Bundestrainer Reiner Kießler: „Das Rennen bedeutete für uns ein großes Durchatmen nach den anderen Finals“, sagte der Coach und meinte zur Zeit: „Die ist für die Geschichtsbücher.“

Wesentlich weniger voran als bei Brendel ging es über dieselbe Distanz bei weiteren deutschen Medaillenkandidaten. So enttäuschten Hoff im Kajak-Einer und Max Rendschmidt/Marcus Groß im K2, die bei den Titelkämpfen vergangenes Jahr in Duisburg noch Gold gewonnen hatten. Der Essener Hoff kam überhaupt nicht in Schwung und paddelte mit geringer Schlagzahl beim Erfolg des Tschechen Josef Dostal nur auf Rang neun - dem letzten Platz im A-Finale. Silber über 5000 Meter spendete hinterher nur ein bisschen Trost.

„Das war ein klar bescheidenes Rennen, bei mir ist momentan wohl der Wurm drin. Es ging einfach nicht mehr“, klagte Hoff. Für Rendschmidt/Groß reichte es nach einer allenfalls mäßigen Fahrt ebenso wie für den Kajak-Vierer der Frauen (500 Meter) nur für Rang vier. „Wir müssen eingestehen: Die anderen waren besser. Jetzt wissen wir, wo wir stehen und müssen daran arbeiten“, urteilte Groß.

Vor allem die Konzentration aufs Studium oder die Ausbildung nahm vielen Kanuten im Frühjahr die Zeit fürs Grundlagentraining, in Moskau gab's für einige jetzt die Quittung. „Wir haben heute andere Ergebnisse erwartet. Andererseits waren wir uns von Anfang an bewusst, dass das eine ganz schwere WM wird“, kommentierte Konietzko.

Nun droht dem Deutschen Kanu-Verband sogar die erfolgloseste Weltmeisterschaft seit vielen Jahren, wenn nicht bei den weiteren Entscheidungen über die olympischen Distanzen an diesem Sonntag noch einige Medaillen mehr herausspringen sollten. Aussichten auf einen Podestplatz dürfen sich vor allem die Sprint-Europapameister Ronny Rauhe und Tom Liebscher machen, die ihr Halbfinale locker gewannen und ohne Probleme den Endlauf erreichten. Auch Sabine Volz im K1 und Stefan Kiraj im Canadier-Einer kamen über dieselbe Distanz weiter. Jonas Ems verfehlte das Finale im Kajak-Einer der Männer dagegen als Sechster seines Vorschlussrundenlaufs deutlich.