Straight-Jazz vom Allerfeinsten

Gleich zu Beginn der Saison gab es beim Nachtfoyer einen Höhepunkt.

Wenn abends ab 21 Uhr (meistens samstags) die erste Etage des Opernhausfoyers erleuchtet ist, dann ist der Kulturtempel, in dem ansonsten Oper, Tanz und Schauspiel zu erleben sind, zu einem Jazzclub mutiert. „Nachtfoyer“ heißt die Konzertreihe, die seit ihrer Gründung der Wuppertaler Saxophonist und Komponist Wolfgang Schmidtke künstlerisch verantwortet. Ausnahmslos gelingt es ihm, dafür erstklassige Musiker zu verpflichten. Nicht anders verhielt es sich bei der Auftaktveranstaltung dieser Spielzeit, als ein Trio für einen weiteren Höhepunkt dieser Reihe sorgte.

Den Jazzfans dürfte Schlagzeuger Peter Weiss (Jahrgang 1949) ein Begriff sein. Lang ist die Liste an Stars, mit denen er zusammengearbeitet hat: etwa John Scofield, Charlie Mariano und Christoph Spendel. Auch als Gründer des „Jazzpool NRW“ ist er in aller Munde. Keineswegs unbekannter ist Kontrabassist Gunnar Plümer (Jahrgang 1951). Die Namen Michael Sagmeister, Lee Konitz oder John Abercombie dürften allseits bekannt sein, mit denen er neben vielen weiteren berühmten Persönlichkeiten auf der Bühne stand.

Legendär ist das Trio mit dem Tenorsaxophonisten Wolfgang Engstfeld, dessen festes Mitglied beide über viele Jahre waren. Es ist heute noch ein Vorbild für viele Nachwuchsjazzer. Eine Generation jünger (rund 20 Jahre, Jahrgang 1971) ist Paul Heller am Tenorsaxophon. Er ist anerkanntes Mitglied der WDR Big Band, vor der selbst die US-Amerikaner den Hut ziehen. Er ging bei Engstfeld in die Lehre. Auch die Namen in seiner Vita, mit denen er bereits zusammen auftrat, kennt wohl jeder: Eddie Gomez, Jasper van’t Hof und Steve Swallow, um nur wenige von vielen zu nennen. Engstfeld ist das Bindeglied, das die drei Musiker verbindet. So war es kein Wunder, dass sie homogen und kongenial zusammen musizierten. Und das, obwohl sie an diesem Abend in dieser Formation zum ersten Mal auf der Bühne standen. Sie verstanden sich auf Anhieb.

Von der ersten Note an ging der kultivierte Drive unter die Haut

Direkt von der ersten Note an, als der gute alte Hit „On Green Dolphin Street“ Fahrt aufnahm, ging es ganz geradeaus zur Sache. Klar strukturiert waren die Stücke, bei denen jeder mit kreativen Improvisationen glänzte. Zwei weitere bekannte Standards schlossen sich an: „Someday My Prince Will Come“ und „Whims Of Chambers“. Mit festem Zugriff kamen sie wie aus einem Guss außerordentlich packend daher.

Bei der Nummer „Samba Di Commerce“ aus Engstfelds Feder hätte man sogar das Tanzbein schwingen können. Der kultivierte Drive ging gnadenlos unter die Haut. Dann kam der Titel „Softly, as in a Morning Sunrise”, bei dessen Schluss Heller und Weiss höchst musikalisch intensiv interagierten. Es dominierten auch schöne lyrische Momente, etwa bei „Lover Man“.

Dabei bedienten die beiden alten Hasen stoisch, als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen, ihre Instrumente. In der Regel dezent ging Weiss rhythmisch absolut zuverlässig mit seinen Trommeln und Becken um. Er brachte aber auch bei seinen quirligen solistischen Einlagen den Raum wuchtig zum Erbeben. Viel Groove kam aus Plümers Kontrabass. Seine einfachen Riffs spann er höchst kunstfertig bis hin zu großartigen Tonwelten weiter.

Heller konnte seine Engstfeld-Schule nicht verleugnen: Er entlockte seinem Tenorsaxophon einerseits kraftvolle Tonfolgen, andererseits faszinierende sangliche Melodien. Stets hatte er selbst bei den schnellsten, virtuosesten Passagen eine absolut sichere Kontrolle über jeden einzelnen seiner in allen Belangen variablen Töne vom butterweichen Piano bis hin zum energischen Forte – Chapeau.

Die Zeit war wie im Flug vergangen, als „All The Things You Are“ dran war. Mit „Sunnymoon For Two“ als Zugabe - Resultat des lang anhaltenden Beifalls - nahm der kurzweilige Abend sein Ende. Er war gleich zu Beginn der Saison ein Höhepunkt. Denn Straight-Jazz vom Allerfeinsten war zu erleben.