Abschied vom Herrn der Raben und Räuber
München (dpa) - „Räuber Hotzenplotz“, „Der kleine Wassermann“ oder „Krabat“ - Otfried Preußler hat sich mit seinen Büchern in die Herzen von Kindern und Jugendlichen in aller Welt geschrieben.
Mit seinen märchenhaften Geschichten hat er einen Kosmos geschaffen, den wundersame Wesen bevölkern, vom sprechenden Raben Abraxas bis zum Zauberer Petrosilius Zwackelmann. Manche mutig und neugierig, andere wunderlich-verschroben, bisweilen von düsteren Untertönen untermalt. Mit einem Augenzwinkern und leichter Ironie schrieb Preußler seine Bücher, immer mit dem Wunsch, am Ende das Gute siegen zu lassen. Ein Werk voller Fantasie, Lachen und Lebensmut. Nun ist Otfried Preußler am Montag im Alter von 89 Jahren in Prien am Chiemsee gestorben, wie der Stuttgarter Thienemann Verlag am Mittwoch mitteilte.
„Es war ein Platz für ihn freigehalten im Olymp der deutschen Kinderbuchautoren, zwischen Kästner und Michael Ende. Den hat Otfried Preußler jetzt eingenommen“, brachte es sein Schriftstellerkollege Andreas Steinhöfel („Rico“) auf den Punkt. Generationen von Kindern und Erwachsenen haben seine Werke verschlungen - und tun es bis heute. Egal ob als Buch oder als Hörspiel, die Geschichten vom kleinen Gespenst oder die Abenteuer des starken Wanja sind längst Klassiker der Kinderliteratur. Sogar Teenager kann er noch fesseln mit der düsteren Welt verzauberter Raben in „Krabat“.
Der Herr der Raben, Hexen und Räuber schrieb 32 Bücher, die in 55 Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 50 Millionen Mal verkauft wurden. Zahlreiche Auszeichnungen kassierte Preußler für seine Werke, darunter das Große Bundesverdienstkreuz oder den Europäischen Jugendbuchpreis.
Dabei konnte Preußler kaum anders, als die Geschichten aus seiner überbordenden Fantasie niederzuschreiben. Schon als Kind lauschte er gebannt den Erzählungen, wuchs er doch in einer Welt voller Sagen und Märchen auf: im böhmischen Reichenberg im heutigen Tschechien, wo er am 20. Oktober 1923 geboren wurde. Sein Vater war Lehrer und leidenschaftlicher Heimatforscher, fasziniert von den Sagen des Isergebirges. Auch Preußlers Großmutter fütterte ihren Enkel unermüdlich mit Geschichten. „Das Geschichtenbuch meiner Großmutter, das es in Wirklichkeit überhaupt nicht gegeben hat, ist das wichtigste aller Bücher für mich, mit denen ich je im Leben Bekanntschaft gemacht habe“, erinnerte sich Preußler einmal.
Bald reichte ihm das Zuhören nicht mehr. Schon mit zwölf Jahren schrieb er erste Geschichten und träumte davon, später einmal als Schriftsteller in Prag zu leben. Der Traum sollte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfüllen - wenn auch nicht in Prag, sondern im oberbayerischen Chiemgau, seiner neuen Heimat, wo er ein Lehramtsstudium begann.
Angefüllt mit den Geschichten seiner Kindheit schuf Preußler eine fantastische Welt, in einer kraftvollen, etwas altertümlichen Sprache. „Er hatte eine blühende Fantasie“, sagte die Autorin Gudrun Pausewang. 1956 feierte er seinen ersten große Erfolg mit dem versponnen-lustigen Buch „Der kleine Wassermann“. Seinen nächsten Bestseller schrieb er für eine seiner drei Töchter, die abends aus Angst vor bösen Hexen nicht einschlafen konnte. Ihr zuliebe erfand er „Die kleine Hexe“, die mit Hilfe des redseligen Raben Abraxas alles dafür tut, eine gute Hexe zu werden.
Kinder waren ohnehin immer seine liebsten und vor allem auch seine ersten Kritiker. Eine Achtung, die sich bis heute in Dankesbriefen begeisterter Kinder widerspiegelt. „Kinder sind das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann“, meinte Preußler dazu. „Und sie sind strenge, unbestechliche Kritiker.“
Einige seiner Werke wurden verfilmt, so etwa „Krabat“. 2008 kam die Geschichte vom Müllerjungen, der nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Oberlausitz sein Glück sucht und den Teufel findet, ins Kino. „Ich glaube ja nicht an Zufälle, für mich ist es Fügung, dass die Geschichte, mit der ich mich mein ganzes Leben lang auseinandergesetzt habe, ausgerechnet zu meinem 85. Geburtstag ins Kino kommt“, schrieb Preußler den Filmemachern gerührt in einem Dankesbrief. Auch zu seinem 90. Geburtstag hatte die Filmproduktion Claussen, Wöbke und Putz ein Filmgeschenk geplant - diesmal „Das kleine Gespenst“. „Es ist sehr traurig, dass das nun nicht mehr geht“, sagte Produzent Jakob Claussen.
In den letzten Jahren war es ruhig geworden um Otfried Preußler. Er gab keine Interviews mehr und lebte zurückgezogen am malerischen Chiemsee. An der von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) angestoßenen Debatte um die Tilgung von Begriffen wie „Negerlein“ und „Neger“ aus „Die kleine Hexe“ beteiligte er sich nicht mehr öffentlich. Wie es hieß, sträubte er sich zwar gegen Änderungen an seinen Texten, ließ am Ende die Streichungen aber zu. Zeitlos aktuell bleiben seine Bücher auch so, findet auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann: „Wir werden uns gerne weiter von seinen Geschichten verzaubern lassen.“ Das dürfte für Menschen in aller Welt gelten, egal ob sie Runkeldunk, Catrabum, Hurjahanka, Huochenbuluci - oder einfach nur Hotzenplotz lesen.