Ärzte bestimmen Kurs zur KV der Zukunft
Nürnberg (dpa) - Deutschlands Ärzte wollen angesichts wachsender Kritik an der Trennung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung erstmals Stellung zur Zukunft der Krankenkassen beziehen. Das ist das zentrale Thema des 115. Deutschen Ärztetags, der heute in Nürnberg beginnt.
Zum Auftakt werden der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sowie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ihre Positionen darlegen. Den folgenden Beratungen der rund 250 Delegierten jedoch sollen erstmals Positionsbestimmungen von CDU und SPD vorangestellt werden.
Die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen von Union und SPD, Jens Spahn und Karl Lauterbach, wollen ihre Vorstellungen zum Versicherungsmodell der Zukunft darlegen. Mit Blick auf die Bundestagswahl werden dann die Ärzte ihre Haltung debattieren.
SPD, Grüne und Linke lassen eineinhalb Jahre vor der Wahl keinen Zweifel daran, dass sie mit einer Bürgerversicherung möglichst alle Menschen erreichen wollen. Die heutige Trennung in private und gesetzliche Versicherung soll es so nicht mehr geben.
Der Unionspolitiker Spahn hatte zuletzt für Aufregung in der Koalition gesorgt mit der Aussage, die Trennung sei nicht mehr zeitgemäß: Dass nur Selbstständige, Beamte und Gutverdiener sich privat versichern können, finde nicht einmal mehr auf einer CDU-Mitgliederversammlung eine Mehrheit. Protest war aus FDP und CSU gekommen.
Montgomery kündigte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an, dass er an der privaten Krankenversicherung festhalten will. Die Bürgerversicherung ist für ihn eine Fehlentwicklung mit der Folge spürbarer Leistungseinschränkungen. „Wir befürchten, dass die Bürgerversicherung zum Turbolader der Zwei-Klassen-Medizin wird.“ Reformbedarf sieht der Ärztepräsident aber auch bei den Privaten, etwa bei den günstigen Locktarifen, die zu Beitragssprüngen führten.
In der Debatte um die Verwendung des Milliardenpolsters der Krankenkassen warnte Montgomery erneut davor, die Überschüsse zu verschleudern. „Das darf jetzt nicht dazu verführen, dass das Geld verplempert wird“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Statt Beiträge zu senken, sollte besser die Praxisgebühr abgeschafft werden. Außerdem sollten die Sparbeiträge, die in den letzten Jahren von Krankenhäusern und Ärzten verlangt wurden, rückgängig gemacht werden.
Auf dem bis Freitag dauernden „Parlament der Ärzte“ wollen die Mediziner auch Beschlüsse zu aktuellen Vorhaben der Koalition wie dem Patientenrechtegesetz fassen. Das Bundeskabinett will das Regelwerk am Mittwoch beschließen. Es soll unter anderem die Rechte der Patienten bei Arztfehlern stärken.
Es ist der erste Ärztetag unter Führung Montgomerys, der als Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund an der Spitze großer Streiks von Klinikärzten bekannt geworden war. Bisher standen ethische Debatten und standespolitische Forderungen nach einer besseren Ausstattung und Wertschätzung für den Arztberuf im Mittelpunkt des Medizinertreffens. Diesmal soll es ein politischerer Ärztetag werden.