Alexander Gerst wird wieder „Botschafter aus dem All“
Köln (dpa) - Es sieht ungefähr so aus wie ein auf die Seite gekippter R2-D2-Roboter aus „Star Wars“, dieses Ding, das Angela Merkel nun so neugierig mustert. „Das ist das Orion-Raumschiff“, erklärt ihr der große Mann im himmelblauen Anzug, der neben ihr steht, Astronaut Alexander Gerst.
„Hhm...“, meint sie nachdenklich. „Und mit dem könnte man dann zum Mond fliegen?“ Merkel, an diesem Mittwoch zu Besuch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, blickt in das Modell hinein und findet alles arg eng: „Wo bewegt sich dann der Astronaut?“ Als Gerst ihr erklärt, dass das Raumschiff ja nur für den Flug gedacht ist, ist sie einigermaßen beruhigt: „Ich hab' immer nach dem Lebensraum gesucht für die sechs Monate.“
Die Lebensbedingungen von Astronauten sind für normale Erdlinge einigermaßen unvorstellbar. Und doch zieht es Alexander Gerst wieder „nach draußen“. In zwei Jahren soll der Mann mit dem kahl rasierten Schädel zu seinem zweiten Flug in den Weltraum aufbrechen. So wie sie ihn einschätze, werde er sich darüber „wahrscheinlich freuen“, sagt Merkel. Letzte Zweifel wird sie angesichts der klaustrophobischen Verhältnisse offenbar nicht los.
Voraussichtlich von Mai bis November 2018 wird Gerst zum zweiten Mal 400 Kilometer über der Erde schweben. Und damit nicht genug: Der 40 Jahre alte Geophysiker wird als erster Deutscher Kapitän der Station - Kommandant im Weltraum.
Dass das so ist, hat nicht nur mit Gersts fachlicher Kompetenz zu tun. Der Unicef-Botschafter ist ein Sympathieträger, wie ihn die Raumfahrt lange nicht gehabt hat. Mit seinen sehr persönlichen Facebook- und Twitter-Beiträgen aus dem All bewegte er während seiner ersten Mission viele tausend Menschen. Wenn Merkel davon spricht, verwendet sie Formulierungen wie „Faszination der Raumfahrt“ und „die Weiten des Alls“. Gerst ist für sie ein „Botschafter aus dem All“.
Der deutsche Astronaut Thomas Reiter (57) ist sicher, dass Gerst auch 2018 wieder „mit seiner hervorragenden Fähigkeit zur Kommunikation“ punkten kann. „Zudem ist er heute viel bekannter. Da werden ihm erst recht viele aufmerksam folgen“, meint Reiter, der 1995 und 2006 im All war.
Dennoch: Ein Deutscher als Kommandant des Außenpostens der Menschheit - könnte das problematisch sein? Gersts Antwort fällt pragmatisch aus: „Es gibt nur wenige Situationen, in denen man strikte Anweisungen geben muss. Wir sind Freunde an Bord und kennen uns seit Jahren.“ Schnelle Entscheidungen seien vom Kommandanten hauptsächlich in einem Notfall gefragt, wenn zum Beispiel ein Feuer ausbricht.
Sigmund Jähn, der 1978 als erster Deutscher ins Weltall reiste, ist optimistisch. „Wenn ich Alexander etwas raten dürfte, würde ich ihm sagen: Teile deine Kräfte ein. Du hast bei deinem zweiten Raumflug die Verantwortung für die ganze Station. Aber du hast auch die moralische Unterstützung Tausender Fans. Wir wissen: Du wirst es gut machen“, sagte der 79-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Vieles wird Gerst beim zweiten Mal schon vertraut sein. Wieder soll es von dem legendären Kosmodrom in der Steppe von Kasachstan losgehen, und wieder sollen Gerst zwei Kollegen in der Sojus-Kapsel begleiten. Anders als beim ersten Mal soll Gerst die Sojus-Kapsel diesmal auch mitsteuern. Das muss er jetzt erst einmal lernen: „Damit werde ich jetzt fast das ganze restliche Jahr verbringen, bis Oktober bin ich fast konstant in Russland.“
Klappt alles, wird Gerst der vierte Deutsche mit mindestens zwei Raumflügen sein. Deutscher Rekordhalter ist Ulf Merbold, der zwischen 1983 und 1994 dreimal im Erdorbit arbeitete. Gerst ist der elfte Deutsche im All, diese Zahl übertreffen nur die Raumfahrtgroßmächte USA und Russland. Ein Wermutstropfen ist allerdings auch hier mit dabei: Trotz aller Appelle reist wieder keine Frau zur ISS.
Wie lange überhaupt noch Astronauten zur ISS fliegen werden, ist derzeit unklar. Es muss sich noch zeigen, ob die Station über 2024 hinweg weiterbetrieben wird. Sollte das nicht der Fall sein, sind andere Szenarien im Gespräch: ein Dorf auf dem Mond - oder gar eine Mission zum Mars. Egal um was es letztlich geht, Alexander Gerst hat bereits mehrfach versichert, dass er liebend gern dabei sein würde.