Analyse: 195 Staaten beschließen Pakt für Mensch und Natur

Paris (dpa) - Begeisterung bei Ministern und Klimaschützern: Läuft alles nach Plan, dann haben die Staaten auf dem Klimagipfel in Paris die Erde vor einer künftigen Klimakatastrophe bewahrt. Zugleich läuteten sie das Ende der fossilen Energien Kohle, Öl und Gas ein.

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„Wir haben ein Ziel, das in Einklang mit der Wissenschaft ist“, sagt der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber. Die Politiker, Industrie und Bürger haben es nun jedoch in der Hand, ob der Beschluss auch umgesetzt wird. Daher hat der Klimavertrag Stärken und Schwächen.

POSITIV: Die Staaten vereinbarten, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf klar unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad. Das Zwei-Grad-Ziel soll die schlimmsten Folgen des Klimawandels abwenden, auch die G7-Staaten hatten sich explizit nochmal dazu bekannt. Zudem sollen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als sogenannte CO2-Senken, also zum Beispiel das Pflanzen von Wäldern, ausgleichen können. „Das ist ehrgeiziger als das Ziel der G7-Staaten, von Kohle, Öl und Gas wegzukommen, weil es alle Treibhausgase, also auch Methan und Lachgas, umfasst“, sagt Malte Meinshausen von der australischen Universität Melbourne.

NEGATIV: Die vorgelegten nationalen Klimaziele reichen allenfalls, um die Erderwärmung auf rund drei Grad zu begrenzen. Und das Abkommen schreibt nicht vor, die Klimaschutzpläne schnell zu verbessern. „Wenn diese aber nicht verschärft werden, ist zumindest das 1,5-Grad-Ziel schon begraben“, sagt Jan Kowalzig von Oxfam. Die EU etwa solle sofort anfangen, ihr Ziel zu verbessern, von 1990 bis 2030 den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent zu senken. „Denn jetzt wird das Ziel in nationale Gesetze umgesetzt, dann ist es erstmal fest. Die EU wird damit mit zum Totengräber des 1,5-Grad-Zieles.“

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erfüllen, dürften gerechnet von 2011 an nur noch etwa 1000 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. „Wenn man die derzeitigen Selbstverpflichtungen der Staaten zusammenrechnet, werden bis 2030 schon 800 Gigatonnen ausgestoßen“, sagte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Es gibt dann nur ein winziges Fenster, um unter zwei Grad zu bleiben, und die Tür zu 1,5 Grad ist dann geschlossen.“

DAS KANN PASSIEREN: Bereits eine Erderwärmung um zwei Grad hat nach Angaben von Levermann große Folgen: Unter anderem sterbe ein großer Teil der Korallen weltweit. „Das arktische Meereis wird schmelzen und damit das Wetter auch in Deutschland beeinflussen“, erläutert der Klimaforscher. „Eine Stadt wie Hamburg kommt unter massiven Anpassungsdruck.“ Hamburg gäbe es seit mehr als 500 Jahren, es könnte innerhalb der kommenden 500 Jahre aber großteils unter dem Meeresspiegel liegen. „Bei einer Erderwärmung von nur 1,5 Grad wird das Risiko für solche Schäden einfach geringer.“

DAS IST ZU TUN: „Die Klimaziele müssen jetzt schnell freiwillig erhöht werden, aber sie sind ja ohnehin freiwillig“, sagt Schellnhuber. Das gelte auch für Deutschland und die EU. „Wenn Ministerin Barbara Hendricks sagt, wir wollen das 1,5-Grad-Ziel unterstützen, dann muss sofort der deutsche Klimaschutzplan nachgebessert werden. Dann muss man alles darin noch mal auf den Prüfstand stellen.“

Der Vertrag habe zwar keinen Sanktionsmechanismus, „aber man hat es sich gegenseitig in die Hand versprochen“, sagte Schellnhuber. „Es wurde Zwang durch Moral ersetzt, was ja oft besser ist.“ Ähnlich sieht es der Forscher Meinshausen. „Wir hoffen, dass die Staaten mehr machen, als in ihren Klimazielen steht.“

Nach den Worten von Levermann muss es einen schnellen Strukturwandel bei der Energieerzeugung geben. Es dürften keine Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. „Gleichzeitig muss dann die Energieeffizienz erhöht werden.“

Johan Rockström, Leiter des Stockholm Resilience Centre, nannte das Abkommen einen Wendepunkt in Richtung 1,5- bis 2-Grad-Ziel, sagte aber zugleich: „Paris ist ein weltweiter Startpunkt.“ Nun müssten Taten folgen, die im Einklang mit der Wissenschaft bis 2050 zu einer Abkehr von Kohle, Öl und Gas führen.