Analyse: Am Golf holt Wulff die Vergangenheit ein
Kuwait/Berlin (dpa) - Ganz ruhig beantwortet Christian Wulff die Fragen der kuwaitischen Journalisten. Finanzkrise, Lage in der Region, Förderung der Demokratie. Hin und wieder nimmt er einen Schluck aus der Wasserflasche, hört den länglichen Statements der Kuwaiter zu, antwortet mit ruhiger Stimme.
Zuvor hatte er die mitreisenden deutschen Journalisten vertröstet: Nach der Debatte mit den kuwaitischen Journalisten werde er zwei Hörfunkinterviews geben. Kein Wort zu den Vorwürfen wegen des 500 000-Euro Privatkredits in seiner Zeit als Ministerpräsident und des Verdachts, er habe das Parlament in seinem Heimatland Niedersachsen getäuscht. „Mein Sprecher hat alles gesagt“, sagt Wulff lächelnd.
Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung schwere Vorhaltungen gegen Wulff erhoben. „Staatsoberhaupt hat als Ministerpräsident von Niedersachsen offenbar das Parlament getäuscht“, verbreitete das Blatt schon in der Nacht vorab.
Es geht um Vorgänge, die Wulff schon Anfang 2010 in die Bredouille gebracht hatten. Wulff hatte mit Familie einen Weihnachtsurlaub bei seinem langjährigen Freund, dem Unternehmer Egon Geerkens, in Florida verbracht. Der CDU-Politiker, seinerzeit noch niedersächsischer Regierungschef, war in der bequemen Business Class nach Miami geflogen, hatte aber nur die preiswertere Touristenklasse (Economy) bezahlt. Die Fluggesellschaft begründete die kostenlose Hochstufung damals mit Sicherheitsaspekten.
Die Opposition stellte Wulff in die Nähe der Günstlingswirtschaft, der räumte Fehler ein und zahlte den Differenzbetrag. Am 30. Juni 2010 wurde der Niedersachse zum Bundespräsidenten gewählt.
Nun legte die „Bild“-Zeitung nach. Wulff habe 2010 im Landtag auf die Frage nach einer Geschäftsbeziehung zu Geerkens nicht angegeben, dass er und seine Frau Bettina von der Gattin des Unternehmers ein Darlehen über eine halbe Million Euro erhalten hatten. Die Zeitung spricht vom Verdacht auf Täuschung des Landtags. Die Wulffs hatten demnach mit Geerkens Ehefrau im Oktober 2008 einen privaten Kreditvertrag über 500 000 Euro zu einem Zinssatz von 4 Prozent geschlossen. Davon kauften sie ein Haus im niedersächsischen Burgwedel. Den privaten Kredit habe Wulff im Februar 2010 - nur Tage nach der Anfrage im Landtag und wenige Monate vor der Bundespräsidentenwahl - durch einen Bankkredit abgelöst.
Noch in der Nacht hatte Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker in Kuwait eine Stellungnahme angekündigt. Die kam am Dienstag gegen 11.00 Ortszeit (09.00 deutsche Zeit). Wulff führte da gerade politische Gespräche, seine Frau besichtigte ein Museum. Wulff habe keine falschen Angaben zu geschäftlichen Beziehungen gemacht, schreibt Glaeseker. Eine Anfrage von zwei Abgeordneten sei korrekt beantwortet worden. Zugleich räumt das Präsidialamt den Sachverhalt ein: „Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen.“
Der „Bild“-Zeitung und anderen Journalisten habe man den Sachverhalt ausführlich mit Dokumenten dargelegt, betont Glaeseker. Auch der Name der Kreditgeberin sei gegen die Zusage genannt worden, diesen aus Gründen des Datenschutzes und von Persönlichkeitsrechten nicht zu veröffentlichen. Die „Bild“ wies allerdings diese Darstellung zurück. Der Redakteur habe diese Zusage ausdrücklich nicht gegeben und dennoch vom Präsidialamt Einsicht in den Kreditvertrag erhalten, erklärte die Chefredaktion am Dienstag.
Nicht nur mit den Kredit-Vorwürfen müssen sich Wulffs Leute an diesem sonnigen Dienstag in Kuwait herumschlagen. Auch ein „Spiegel“-Bericht zum angeblich zerstrittenen Verhältnis zwischen dem Bundespräsidenten und Bundestagspräsident Norbert Lammert zieht Kreise. Wegen des Umgangs mit der im Februar geplanten Gedenkfeier für die Opfer des jüngsten Neonazi-Terrors in Deutschland lägen Wulff und Lammert „in einem zähen Kleinkrieg“, schreibt das Magazin.
Im Umfeld des Bundespräsidenten sieht man sich genötigt, den Eindruck des Zerwürfnisses zwischen den beiden protokollarisch ranghöchsten Männern im Staat rasch zu zerstreuen. Quatsch, es gebe keinen Streit, sondern ein gutes Verhältnis, gute Gespräche und viel inhaltliche Übereinstimmung, heißt es da. „Zwischen Norbert und mir gibt's kein Problem“, wird Wulff zitiert. Einen Anlass, die Spekulationen persönlich bei Lammert auszuräumen, sah der Bundespräsident nicht: Nein, telefoniert hätten die Beiden nach dem Erscheinen der „Spiegel“-Story am Montag nicht, hieß es.