Analyse: Der IWF und die Strauss-Kahn-Affäre

Washington (dpa) - Die Turbulenzen um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn rütteln die mächtige Finanzinstitution durch wie ein schweres Erdbeben. Auch ohne Schuldspruch ist die Nachfolge-Diskussion kaum zu stoppen.

Offen ist: Wird die Organisation die Affäre schadlos überstehen?

Die Mitteilung aus dem Hauptquartier des Internationalen Währungsfonds (IWF) war knapp, nüchtern - und dennoch voller Sprengkraft. „Der IWF bleibt voll funktionsfähig“, ließ die Direktorin für Außenbeziehungen, Caroline Atkinson, am Sonntag in Washington verlauten. Völlig unvorbereitet sah sich die bedeutende internationale Organisation in der Defensive, fühlte sich gefordert, der Welt zu versichern, stabil weiterarbeiten zu können.

Ob er schuldig ist oder nicht - die Turbulenzen um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hätten vor allem für Europa kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen können, urteilt die „New York Times“ am Montag. Ausgerechnet der starke Europäer, der großen Anteil zur Lösung der Finanzkrise seines Kontinentes auf die eigene Schultern genommen hat, kann wegen schlimmer Anschuldigungen von einem Tag auf den anderen nicht mehr mitwirken. Gerät die Krisenfeuerwehr nun selbst in die Krise?

„Die Aussichten, dass er bald ans Ruder des IWF zurückkehrt, sind gering. In der Zwischenzeit wird eine der weltweit wichtigsten finanziellen Regulierungsbehörden an Schlagkraft verloren haben“, orakelt die konservative britische Zeitung „The Times“. Die „Washington Post“ sieht es ähnlich düster: „Das wirft Fragen über die Zukunft einer der mächtigsten Finanzinstitutionen der Welt auf.“

Eigentlich geht es in der Beamtenstadt Washington an einem üblichen Sonntag sehr beschaulich zu - auf den langen Fluren im betagten IWF-Hauptquartier muss aber heftiger Betrieb geherrscht haben. Das gewöhnlich gut unterrichtete „Wall Street Journal“ berichtet von eilig einberufenen Sondersitzungen, informellen Konferenzen, unablässig klingelnden Telefonen, überlaufenden E-Mail-Eingängen.

Der Grund für die Hektik: Das Institut muss schnell über die nächsten Schritte entscheiden. Der IWF spielt im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise eine wichtige Rolle und trägt ein Drittel der internationalen Milliardenhilfen - ein Führungsvakuum kann er sich nicht erlauben. So hatte auch der 24-köpfige Aufsichtsrat gleich für den Sonntag eine Sondersitzung angesetzt, sich dann aber entschieden, erst die juristische Entwicklungen in New York abzuwarten.

Doch es scheint fast schon egal, wie das Gericht über Strauss-Kahn entscheiden wird - die Nachfolge-Debatte ist bereits voll entbrannt. Einige der 187 IWF-Mitgliedsländer bringen sich vorsorglich schon in Stellung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bei einem möglichen Wechsel für einen europäischen Kandidaten ausgesprochen, aber „Schwellenländer“ wie Indien, Brasilien und China haben deutlich hörbar ihren Anspruch vernehmen lassen.

Nicht einfacher macht die Nachfolgersuche, dass eigentlich sogar zwei Spitzenpositionen zu besetzten sind. Denn IWF-Vize John Lipsky will in diesem Sommer sein Amt niederlegen.

Und natürlich spukt in den Köpfen der IWF-Verantwortlichen die Frage umher, wie ein langfristiger Schaden durch den Skandal verhindert werden kann. Strauss-Kahn ist es gelungen, der schwächelnde Institution mit Entschlossenheit und Reformeifer wieder gewaltigen Einfluss auf der Weltbühne zu verschaffen. Diese starke Position will die Sonderorganisation der Vereinten Nationen ungern wieder hergeben.