Analyse: Die Laufwege des Horst Seehofer
Karlsruhe (dpa) - Horst Seehofer ist früh dran bei der CDU. So früh, dass Tagungspräsident Thomas Strobl erst einige Sekunden zögert, den CSU-Chef schon in der Parteitagshalle in Karlsruhe zu begrüßen.
Der Beifall ist mau, während Kanzlerin Angela Merkel den Gast aus Bayern zwischen den Delegierten nach vorne begleitet. „Für meine Verhältnisse ein sehr freundlicher Empfang“, sagt der gleich am Pult und erntet entspannendes Gelächter. Denn die Stimmung zwischen den Schwesterparteien ist gereizt, nachdem Merkels Visite beim CSU-Kongress vor gut drei Wochen in eisiger Atmosphäre eskalierte.
Seehofer müht sich denn auch um versöhnliche Signale im Unionskrach über den Kurs in der Flüchtlingskrise - und ein bisschen Demut im Ton. „Wenn man sich überhaupt einen Rat erlauben darf“, formuliert der CSU-Chef einmal. Gratuliert Merkel zum Ablauf ihres Parteitags. Und bietet den CDU-Kandidaten bei den wichtigen Landtagswahlen 2016 christsoziale Schützenhilfe an - „aber nur, wenn es gewünscht ist“.
Dass er ein Stück auf die CDU zugehen sollte, weiß Seehofer nach der heiklen Vorgeschichte. Wochenlang hatte er Merkel höchstpersönlich scharf attackiert, um eine härtere Asylpolitik zu erzwingen. Bei seinem eigenen Parteitag in München kanzelte er die CDU-Chefin minutenlang auf der Bühne ab, nachdem die den Ruf der CSU nach einer Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge kühl abprallen ließ. Offene Rache nehmen die Christdemokraten in Karlsruhe aber nicht.
Das liegt auch daran, dass Seehofer die Gemeinsamkeiten der Union in den Vordergrund rückt. Zwei einmütig beschlossene Parteitagsbeschlüsse liegen nun auf dem Tisch - bei der CDU mit wenigen Gegenstimmen, bei der CSU mit nur einer, wie der Bayer genau dokumentiert. Und bei zwei der drei großen Ziele in der Flüchtlingskrise könne man auf dieser Basis doch für beide Parteien sagen: „Haken dran.“ Das betrifft die Hilfe für Menschen in Not und das Bestehen auf einer gründlichen Integration.
Da ist aber noch Punkt drei, der keinen Seehofer'schen Haken bekommt. Hier prallt die Forderung der CSU nach einer Obergrenze frontal auf das strikte Nein der Kanzlerin, das der CDU-Kongress untermauerte. Zurückzunehmen von der CSU-Position habe er nichts, macht Seehofer klar: „Unser Beschluss gilt.“ Vorrangig sei in den nächsten Wochen aber die jetzt auch von der CDU ausdrücklich angestrebte „spürbare Verringerung“ der Flüchtlingszahlen. Da müsse man doch nicht jeden Tag den Unterschied zwischen einer Obergrenze und Kontingenten der EU erklären, wie sie die CDU will. „Hauptsache, es geschieht.“
Daneben liegt Seehofer auch an Freundlichkeiten für die „liebe Angela“ persönlich. „Wir haben einen exzellente Kanzlerin“, schwärmt der CSU-Chef also. „Sie ist in Deutschland hoch geschätzt, und ich sage ausdrücklich dazu, auch im Freistaat Bayern.“ In den großen Beifall hinein lächelt Merkel nur fein in den Saal.
Nach der Rede ist an den Laufwegen der beiden zu erkennen, dass es nicht die Stunde einer überschwängliche Versöhnung auf großer Bühne ist. Als Seehofer zu seinem Platz neben Merkel an den Präsidiumstisch zurückkommt, geben sie sich die Hand. Die Kanzlerin bleibt aber dort, als Seehofer zum Schlussapplaus noch einmal ans Pult geht - allein. Merkel steht dann schnell auf und wandert zu DGB-Chef Reiner Hoffmann in die Gästereihen, dann zu CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt auf der anderen Seite der Bühne. Seehofer plaudert währenddessen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Nach einem kleinen Stolperer an der Bühnentreppe begleitet Merkel den Gast dann aber selbst heraus. Und in den angrenzenden Hallen folgt ein überraschendes kleines Nachspiel. Über den blauen Teppich gehen Merkel und Seehofer entspannt plaudernd an den Aussteller-Ständen entlang, die Kanzlerin legt sogar extra einen gemeinsamen Stopp ein, um dem CSU-Chef lächelnd einen kunstfertigen Holzstern zu zeigen. „Mach's gut“, sagt Seehofer zum Abschied.