Analyse: Dobrindts Stunde der Wahrheit
Berlin (dpa) - Die Messlatte hat sich Alexander Dobrindt auch selbst hoch gelegt. „Die Pkw-Maut für Ausländer kommt so sicher wie das Amen in der Kirche“, prophezeite er noch als CSU-Generalsekretär während der Koalitionsverhandlungen im Herbst.
Mit aller Macht drückten die Christsozialen ihren umstrittenen Wahlkampfschlager schließlich in den schwarz-roten Regierungsvertrag - allerdings mit einem engen Korsett an Bedingungen. Dann wurde es still. So still, dass zuletzt Zweifel lauter wurden, wie und wann es überhaupt noch etwas wird mit einem konkreten Konzept. Heute will Dobrindt liefern.
Für den 44-Jährigen, inzwischen Bundesverkehrsminister, wird es auch persönlich eine Stunde der Wahrheit. Seine ersten Wochen im Amt kamen vielen Fachpolitikern zögerlich vor, auch die Verkehrsbranche wartete auf Ansagen des neuen Ressortchefs. Dabei war zugleich klar, dass das Prestigeprojekt einer Pkw-Maut eine der wichtigsten und heikelsten Aufgaben auf seiner Agenda werden wird. Dobrindt hielt die Vorarbeiten dafür denn auch lange in so engem Kreis, dass Kritiker unkten, das Maut-Gerüst entstehe gar nicht in Berlin, sondern mit Expertise aus der CSU-Bastion München. „Das Konzept habe ich mit den Fachleuten in meinem Ministerium geschrieben“, versicherte der Minister in der „Bild“-Zeitung.
Vorstellen will er es also wie angekündigt noch vor der Sommerpause in der Hauptstadt. Die Kernpunkte zeichnen sich nunmehr ab. Und klar ist, dass es um weit mehr gehen soll als nur den Verkauf von Gebührenmarken zum Aufkleben auf die Windschutzscheibe. „Wir führen eine Infrastrukturabgabe für alle Nutzer unserer Straßen ein“, formuliert es Dobrindt.
Überlegungen für ein derartiges Modell gibt es schon seit längerem. Einheimische würden demnach den bisherigen Kfz-Steuerbetrag in zwei Töpfe zahlen. Als reduzierte Summe für die Steuer und daneben über den Kauf der Vignette in einen neuen Topf: die Straßenbau-Abgabe. Vorteil einer Abgabe ist, dass sie anders als Steuern zweckgebunden für Investitionen reserviert werden kann. Einheimische Kfz-Halter sollen eine Vignette automatisch per Post bekommen. Ausländische Fahrer müssten sie kaufen und zahlten damit genau wie die Deutschen in den Topf der Abgabe ein.
Ein solches neues System erfordert jedoch eine größere Operation mit zahlreichen Details. Der Preis einer Jahresvignette soll sich jeweils an der Öko-Klasse und der Motorgröße eines Autos orientieren. Schon bisher ist die Kfz-Steuer umso höher, je größer der Hubraum und je höher der Schadstoffausstoß ist. Bei allem zu berücksichtigen sind die beiden Vorgaben des Koalitionsvertrags, die Dobrindt ausdrücklich bestätigt. Erstens: „Kein deutscher Autofahrer wird insgesamt mehr bezahlen als heute.“ Zweitens: „Mein Maut-Konzept ist EU-konform.“ Europäisches Recht verbietet Benachteiligung wegen der Nationalität.
In den nächsten Wochen braucht der Minister aber noch die Mitwirkung der Partner SPD und CDU, bei denen sich die Maut-Euphorie nach wie vor in Grenzen hält. „Die SPD wird das Konzept von Herrn Dobrindt wohlwollend, aber kritisch prüfen, wenn es uns konkret vorliegt“, sagt Fraktionsvize Sören Bartol. Eine Maut für alle Straßen sei nun ein neuer Aspekt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Pläne vorab zurückhaltend als „Vorschläge“ eingestuft. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Herr der Kfz-Steuer sprach von einem „schwierigen Weg“. Als nächstes muss ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. „Die Zeit drängt nicht“, meint Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU).
Die CSU macht klar, dass sie sich nicht ausbremsen lassen will. Für die Vorbereitungen zum Start des Systems am 1. Januar 2016 ist die Zeit ohnehin knapp. CSU-Chef Horst Seehofer warnt denn auch die Koalitionspartner: „Ich fange bei der Maut nicht wieder bei Adam und Eva zu diskutieren an.“