Analyse: Durban schützt kaum, nützt aber UN-Prozess
Durban (dpa) - Enttäuschung war am Ende des 14-tägigen Konferenzmarathons in die übermüdeten Gesichter vieler Klimaschützer geschrieben. Das Abkommen auf dem Gipfel im südafrikanischen Durban taugt kaum als Klimaretter.
Eine halbwegs bedeutende Verringerung der Treibhausgase ist, wenn überhaupt, erst nach 2020 zu erwarten. Dann wird es wohl schon wieder etwas wärmer sein. Im Schnitt steigt die globale Temperatur derzeit um etwa 0,2 Grad pro Jahrzehnt.
Zwar haben sich die EU und weitere Kyoto-Staaten schon ab 2013 zu neuen Klimazielen verpflichtet. Diese Länder aber machen gerade einmal rund 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Verschmutzer Nummer eins und zwei, China und die USA, sowie weitere Staaten außerhalb des Kyoto-Protokolls sollen bis 2015 ein Klimaabkommen mit festen Zielen beschließen, das 2020 in Kraft tritt.
Doch im Jahr 2015 müsste der globale Treibhausgasausstoß eigentlich nach Ansicht vieler Wissenschaftler bereits wieder sinken, wenn man noch das Ziel erreichen will, die Erderwärmung auf ein für Mensch und Natur erträgliches Maß zu bremsen. „Es wurde die Chance verpasst, einen starken Fahrplan zu verabschieden, der den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius begrenzen könnte“, so das ernüchternde Fazit der Umweltstiftung WWF.
„Wir haben ein Fundament für den Klimaschutz, aber wir befinden uns weiterhin auf einem 4-Grad-Pfad“, diagnostiziert der Klimaexperte der Organisation Oxfam, Jan Kowalzig. Neben dem langen Zeitplan bis 2020 seien noch viel zu große Schlupflöcher für Verschmutzer möglich. Demnach könnten sich Länder Änderungen in der Land- und Forstwirtschaft auf ihr Klimaschutzziel anrechnen lassen.
Auch Russland und andere ehemalige Ostblockländer könnten sich dann ihre noch aus dem Kyoto-Protokoll verbliebenen Verschmutzungsrechte für neue Ziele gutschreiben lassen oder diese „heiße Luft“ gar verkaufen. Die Käuferstaaten dürften daraufhin mehr Treibhausgase in die Luft blasen, als im neuen Klimaabkommen für sie festgelegt wird. Durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den 90er Jahren hatten viele Staaten einen wesentlich geringeren Treibhausgasausstoß erlangt, als im Kyoto-Protokoll vereinbart war.
Eine weitere Frage ist auch, ob sich alle Staaten an ein künftiges globales Vertragswerk halten. Bis zuletzt hatten die Minister um eine Formulierung zur rechtlichen Verbindlichkeit des Vertragswerks gerungen und sich schließlich auf die Formel „Vereinbarung mit Rechtskraft“ (outcome with legal force) geeinigt, die es in der internationalen Rechtsprechung bisher gar nicht gab.
„Obwohl die Regierungen ein Desaster in Durban vermieden, bedeutet das in keinem Fall eine adäquate Antwort auf die riesige Bedrohung durch den Klimawandel“, resümiert Alden Meyer von der Union of Concerned Scientists (UCS).
Als „gescheitert“ sehen Klimaschützer das Kapitel zum Waldschutz an. „Das ist jetzt das dritte Mal, das wir dazu nichts abschließen konnten“, sagte Martin Kaiser von Greenpeace mit Blick auf die Konferenzen von Kopenhagen und Cancún. Das Geld für Waldschutz solle künftig wohl vor allem von Industrie- und Kraftwerksbetreibern kommen, die Waldzertifikate kaufen, um selbst weiter große Mengen Kohlendioxid ausstoßen zu können. Mit mehr Waldschutz soll vermieden werden, dass noch mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt, was bei der Verbrennung von Holz entsteht.
Der internationale Klimaprozess läuft zwar sehr langsam, doch für einige Forscher ist Durban zumindest ein Teilerfolg. „Wenn das Kyoto-Protokoll ersatzlos ausgelaufen wäre, dann hätte es überhaupt keinen Willen mehr hin zu einem Klimaschutzabkommen gegeben“, sagte der Direktor am Hamburger Max-Planck Max-Planck-Institut für Meteorologie, Professor Jochem Marotzke.
„Es ist in jedem Fall mehr herausgekommen, als ich erwartet hatte“, meinte Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Zusätzliche Werkzeuge seien jedoch unverzichtbar. „Die G20-Länder subventionieren jeden Tonne Kohlendioxid (CO2) mit neun Dollar (6,7 Euro), das ist mehr als derzeit im Emissionshandel für eine Tonne gezahlt wird“, erläuterte Edenhofer. „Wenn man das Geld in die Förderung alternativer Energien stecken würde, dann wären wir durchaus einen Schritt weiter.“