Analyse: Eiskalte Abfuhr in Moskau
Moskau (dpa) - Eiskaltes Ende einer Hoffnungsreise: Bei tiefen Minusgraden und Schnee schickt Moskau den zyprischen Finanzminister Michalis Sarris unverrichteter Dinge zurück auf die Insel im Mittelmeer.
Nach fast drei Tagen fieberhafter Gespräche in russischen Ministerien fliegt der Zyprer ohne Geld ab. Sarris erlebt die Moskauer in ihrem Dauerwinter reserviert - anders als die nach Schätzungen 50 000 lebensfrohen Russen auf Zypern, bei denen das Geld locker sitzt.
„Kein Interesse“, sagt der russische Finanzminister Anton Siluanow am Freitag nach Prüfung der zyprischen Offerten. Der angebotene Zugang zu Gaslagerstätten? Vorerst zu kompliziert - auch wegen der türkischen Interessen, teilt die Regierung in Moskau mit. Eine Beteiligung an zyprischen Vermögenswerten wie Banken oder anderen Unternehmen? Niemand brauche das jetzt, meint Siluanow.
Die Russen zeigen sich nach anfänglicher Nervosität wegen ihrer Geschäfte auf Zypern zwar weiter besorgt. Aber von Panik kann keine Rede sein. Regierungschef Dmitri Medwedew demonstriert Gelassenheit. Nach zweitägigen Gesprächen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wiederholt er, dass es zuerst eine Lösung innerhalb der Eurozone geben müsse. Dann wollen die Russen, falls nötig, über ihre Rolle als Retter nachdenken.
Die Türen sind also nicht zu, wie Medwedew betont. Dass Russland auf Zeit spielt, hat nach Meinung von Beobachtern mehrere Gründe. Kremlchef Wladimir Putin ist die andauernde Kapitalflucht aus Russland ohnehin ein Dorn im Auge. Er will, dass russisches Geld hierbleibt. Putin trifft sich nur kurz mit Barroso, hält sich aber mit öffentlichen Kommentaren zu Zypern zurück.
Experten vermuten, dass die Russen durch eine Zuspitzung der Krise die Preise auf Zypern drücken wollen. Seit Tagen spekulieren Medien, was für ein Coup, was für eine Erniedrigung für Brüssel und was für ein Kreml-Sieg es wäre, wenn Russland etwa auf der Insel mitten in der EU einen Marinestützpunkt bekäme. Da ihre Basis im Hafen Tartus des Bürgerkriegslandes Syrien bedroht ist, suchen sie nach einem dauerhaften Ankerplatz für ihre Kriegsflotte im Mittelmeer.
Auch Medwedew betont noch einmal im Beisein von Barroso, dass Russland durchaus Interessen habe auf Zypern. Und er erinnert daran, dass Moskau dem EU-Land 2011 einen Kredit von 2,5 Milliarden Euro gewährt habe. Am Rande der Gespräche zwischen der EU-Delegation und der russischen Regierung klingt durch, dass jeder selbst schuld sei, wenn er sein Geld nun immer noch auf der Insel habe. Viele Milliarden auf zyprischen Konto gehören auch Ukrainern, wie Moskau betont.
Die Schätzungen zu den Milliardeneinlagen seien ebenso überbewertet wie die Rolle Zyperns als Geldwaschanlage für reiche Russen und die mehr oder weniger transparenten Unternehmen, heißt es nun immer häufiger in Moskau. Das russische Kapital sei längst in neuen Häfen sicher. Auch das ex-sowjetische EU-Land Lettland, das 2014 den Euro einführen will, gerät demnach zunehmend ins Visier russischer Anleger.
Und auch Moskauer Bankenchefs kommen nach tagelangem Rechnen zunehmend aus der Deckung: Ein Bankrott Zyperns oder Zwangsabgaben von zehn oder mehr Prozent auf Bankeneinlagen - alles nicht so schlimm, meinen sie. Es gebe keine „ernsten Risiken“, sagt der Vizechef der Zentralbank in Moskau, Alexej Simanowski. Es seien keine „bedeutenden Verluste“ zu erwarten, meint auch Alexander Sobol von der Gazprombank des gleichnamigen Gasmonopolisten. Für die großen russischen Banken sei die Zypern-Krise doch keine Überraschung.