Analyse: EU tut sich schwer mit Nordafrika-Kurs
Brüssel (dpa) - Für diplomatische Verhältnisse knirscht es derzeit recht laut im Apparat der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die Unruhen in Tunesien und Ägypten haben offenbart, wie schwerfällig eine Behörde sein kann, die gemeinsame Außenpolitik für 27 Staaten machen soll.
Kritik an Ashton gab es immer, aber so laut wie jetzt wurde ihr noch nie vorgeworfen, unentschlossen und nahezu unsichtbar zu sein. Dass sie erst an diesem Montag nach Nordafrika reist, macht die Sache nicht besser. „Javier Solana wäre längst dort gewesen“, ätzte ein ranghoher Diplomat schon beim EU-Gipfel vor einer Woche mit Blick auf Ashtons Vorgänger.
Im offiziellen Auftrag der 27 Mitgliedsstaaten soll Ashton jetzt in Tunesien ausloten, wie die versprochene Hilfe beim demokratischen Wandel konkret aussehen könnte. Die EU hat unter anderem zugesagt, bei der Vorbereitung und der Organisation von Wahlen zu helfen.
Ägypten gleich mit abzuhaken, läge auf der Hand und war auch geplant, doch dort war Europas Außenbeauftragte zumindest bisher nicht willkommen. Die ägyptische Regierung, so berichteten Brüsseler Diplomaten, wünsche keinen Besuch aus dem Ausland. Das war vor dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak. Ob sich daran nun etwas ändert, ist unklar. Offiziell abgesagt wurde Ashtons Ägypten-Besuch nach wie vor nicht.
Die Abfuhr aus Ägypten richtete sich gar nicht persönlich gegen Ashton. Trotzdem passt die Sache einfach zu gut ins Bild einer glücklos agierenden und kaum wahrnehmbaren Chefdiplomatin, wie es die französische Tageszeitung „Le Monde“ Ende Januar gezeichnet hat. „Für viele bleibt die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik auch ein Jahr nach ihrem Antritt abwesend“, schrieb das Blatt.
Natürlich wendet sich auch weiter niemand offen gegen die Britin, aber die zwischen den Zeilen versteckten Seitenhiebe häufen sich. Die Stimme Europas sollte Ashton sein. Als die Stimme aber stumm blieb, taten sich mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, vor zwei Wochen lieber im kleinen Kreis zusammen und schickten ohne Brüsseler Beteiligung einen Appell für mehr Demokratie nach Ägypten.
„Die unerwarteten Entwicklungen haben zu einer Vielzahl von Statements aus der Union geführt - das ist wohl wahr“, musste Ratspräsident Herman Van Rompuy anschließend im Europaparlament zugeben. Aber wenigstens sei die Botschaft immer dieselbe gewesen. Belgiens Premierminister Yves Leterme nahm Ashton beim Gipfel der Regierungschefs in Schutz: „Europa muss mit einer Stimme sprechen, mit der Stimme von Frau Ashton“, forderte er.
Uneinig über die Lage in Nordafrika ist man sich inzwischen selbst innerhalb von Ashtons Außenbehörde. „Keiner kann sagen, dass unsere Strategien extrem erfolgreich waren“, gesteht ein hoher EU-Beamter. Gleichzeitig mailt der EU-Abgesandte in Tunis an Mitglieder des Parlaments, dass eigentlich doch alles in Ordnung sei. „Die europäische Strategie in Tunesien braucht nicht überarbeitet zu werden“, heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Beim Besuch einer Delegation aus dem Europäischen Parlament soll es sogar offenen Streit mit den EU-Beamten gegeben haben, berichten Teilnehmer.
Ashton bleibt derweil diplomatisch. Nicht alles, was sie tue, verkünde sie immer gleich vor der Presse, sagte sie am Freitagabend nach Mubaraks Rücktritt. „Das meiste, was wir tun, geschieht eher im Stillen.“