Analyse: FDP schaut in den Abgrund

Berlin (dpa) - Philipp Rösler saß gut gelaunt auf einem Podium in München. Der FDP-Chef plauderte auf einer Handwerksmesse mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Kardinal Reinhard Marx.

Gerade als er die Diskussionsrunde verlassen hatte, lief die Meldung vom Scheitern der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf über den Ticker.

In Berlin fragen sich nicht wenige, ob die Liberalen an Rhein und Ruhr den politischen Freitod suchen. In einer aktuellen Umfrage liegt die FDP in Nordrhein-Westfalen bei zwei Prozent. Der nach einer Sitzung des Bundeskabinetts nach Düsseldorf geeilte FDP-Landeschef Daniel Bahr sagte, er habe keine Angst vor Neuwahlen. Die FDP habe dem rot-grünen Schuldentreiben nicht länger tatenlos zusehen können und stehe für ihre Überzeugungen ein, unterstrich der Bundesminister.

In der Bundespartei gab es am Mittwoch jedoch auch gewichtige Stimmen, die meinten, Bahr und NRW-Fraktionschef Gerhard Papke hätten sehr hoch gepokert und sich am Ende verzockt. Der Plan sei gewesen, SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei den Haushaltsberatungen neue Sparbeschlüsse abzuringen. Auch eine Ampel-Koalition wäre denkbar gewesen. Womöglich wurde die FDP nun von den Grünen ausgetrickst, die Neuwahlen nicht fürchten müssen. Offen ist, ob Bahr als Spitzenkandidat antritt.

Vizekanzler Rösler, erst seit zehn Monaten an der Parteispitze, befindet sich damit in einer noch bedrohlicheren Lage. Im Saarland wird am übernächsten Sonntag (25.3.) gewählt. Der tief zerstrittenen Landes-FDP droht nach Ansicht von Demoskopen ein Debakel in Dimensionen des Berliner Ergebnisses von 1,8 Prozent. Dann dürften die Fragezeichen hinter Rösler größer werden.

Abzuwarten bleibt, wie der Kieler FDP-Wahlkämpfer, Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki, jetzt reagiert. Er ist für Attacken gegen die Bundespartei bekannt, um an der Förde sein Profil zu schärfen. Parteikenner halten einen Putschversuch gegen Rösler bereits nach dem Saarland aber für unwahrscheinlich.

Ein Nachfolger wäre gleich beschädigt, wenn er Wahlpleiten in Kiel und Düsseldorf auf seine Kappe nehmen müsste. Gut für die FDP wäre es, wenn in Nordrhein-Westfalen nicht parallel zu Schleswig-Holstein am 6. Mai gewählt würde, sondern etwas später. Schafft Kubicki ein passables Ergebnis, könnte das ein positives Signal für Düsseldorf und Rösler sein.

Kassiert Rösler aber drei Wahlschlappen, würde er das politisch wohl kaum überleben. Seit Monaten wird Rainer Brüderle als Nachfolger gehandelt, obwohl der bald 67-Jährige nicht danach strebt. Intern und beim Koalitionspartner Union wird der Chef der Bundestagsfraktion als Stabilitätsanker gesehen. Viele der 93 Abgeordneten plagen Zukunftsängste, weil die FDP nach jetzigem Stand nicht mehr in den Bundestag kommen würde.

Die Aufbruchstimmung in der Partei nach dem Gauck-Coup ist längst verflogen. Rösler setzte den DDR-Bürgerrechtler gegen den Willen der Kanzlerin als überparteilichen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt durch. Die Strategie, die Rösler-FDP als Präsidentenmacher wieder populär zu machen, ist bisher nicht aufgegangen. Die Umfragen verharren im Keller. Eher das Gegenteil ist eingetreten.

Das Verhältnis zum Koalitionspartner Union ist seit der Präsidentensuche gestört. Auch Liberale fanden es nicht gut, dass Rösler in den Medien ausgiebig seinen Sieg über Merkel feierte und als Höhepunkt die Kanzlerin indirekt mit einem Frosch gleichsetzte, den er weichgekocht habe. Im ZDF-Politbarometer meinte gut jeder zweite Bürger, die FDP sei schuld am schlechten Zustand von Schwarz-Gelb.