Analyse: Konferenz soll Syrer zu Verhandlungslösung zwingen

Istanbul/Moskau (dpa) - Während in Syrien Raketen abgeschossen und Zivilisten massakriert werden, fordert die internationale Diplomatie eine politische Lösung des blutigen Konflikts. Bislang brachten diese Appelle keinen Erfolg.

Mehr als ein UN-Vermittler biss sich an den hartleibigen Syrern die Zähne aus.

Das soll jetzt anders werden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry einigten sich in der Nacht zum Mittwoch in Moskau darauf, die Vertreter der Bürgerkriegsparteien an den Verhandlungstisch zu rufen.

Das ist deshalb entscheidend, weil Russland neben dem Iran der wichtigste Verbündete des Regimes von Präsident Baschar al-Assad ist. Die USA haben dagegen Assad zum Rücktritt aufgefordert.

Ob das Regime und die Oppositionsgruppen dem Ruf der Großmächte, noch in diesem Monat an einer internationalen Syrien-Konferenz teilzunehmen, Folge leisten werden, ist allerdings noch offen.

Entscheidend ist für beide Seiten die Frage, ob die Teilnahme mit der Frage verknüpft wird, ob Assad im Amt bleibt oder nicht. „Unsere Bedingung ist der Rücktritt von Baschar al-Assad. Wenn dies geschieht, gibt es Aussichten auf eine politische Lösung, die das Töten beendet“, sagt der Dissident Samir Naschar, ein führendes Mitglied des Syrischen Nationalrates (SNC).

Michel Kilo, dessen Bewegung versucht, in der Opposition ein Gegengewicht zu den Muslimbrüdern zu bilden, findet es grundsätzlich gut, dass Russland und die USA jetzt gemeinsam agieren wollen. Er gibt allerdings zu bedenken: „Wir wissen bis jetzt noch nicht, auf was sie sich genau geeinigt haben. Wenn es um die Bildung einer Übergangsregierung mit klaren Befugnissen geht, die einen Machtwechsel herbeiführt, dann begrüßen wir dies. Wenn das Volk allerdings hinters Licht geführt werden soll und Baschar bleibt bis 2014 im Amt, dann werden wir dies nicht akzeptieren.“

Das Führungsgremium der Nationalen Syrischen Koalition, die von westlichen Staaten als Vertreterin der Opposition anerkannt wird, zog sich am Mittwoch in Istanbul zu Beratungen zurück. „Bisher haben uns offiziell weder die Russen noch die USA über die Ergebnisse des Treffens in Moskau informiert“, erklärte eine Sprecherin.

Kerry musste sich bei seinem ersten offiziellen Besuch in Moskau einmal mehr von Kremlchef Wladimir Putin anhören, dass Russland eine gewaltsame Lösung ablehne. Dialog sei auch für die USA das Mittel, beteuerte Kerry.

Die russische Führung wertet das als vorläufigen Sieg im Streit mit dem Westen, der in der Syrien-Krise bislang auf der Seite der Aufständischen steht. „Wir sind erfreut und schätzen es, dass die gegenwärtige Präsidialverwaltung von Barack Obama - vertreten durch den US-Außenminister - unsere Herangehensweise teilt“, sagte Lawrow mit Genugtuung.

Bei der Begründung ihrer Syrien-Strategie spielen die Russen, genau wie Assad selbst auch, die Islamisten-Karte. „Ein bedeutender Teil der syrischen Bevölkerung hat Angst, dass das Regime zerfällt“, behauptet Lawrow. Viele Syrer befürchteten, dass im Fall eines Sieges der islamistischen Rebellen der Zusammenhalt der Gesellschaft mit ihren vielen religiösen und ethnischen Minderheiten endgültig zerstört werde. Ein Sturz Assads sei deshalb keine Lösung.

Beide Außenminister zeigten sich besorgt wegen eines möglichen Einsatzes von Chemiewaffen in Syrien. In dieser Frage sollen nun die Geheimdienste noch enger zusammenarbeiten. In Moskau führte FBI-Direktor Robert Mueller dazu schon Gespräche. Man wolle ein genaueres Bild davon erhalten, „was dort wirklich vor sich geht“, sagte Lawrow. Er warnte davor, Gerüchten auf den Leim zu gehen. Die Russen glauben bis heute nicht an einen Chemiewaffeneinsatz durch Assad. „Er ist kein Geisteskranker, dass er sich in eine so prekäre Lage bringen würde“, meinte der russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow.

Die Kernfrage ist nun: Wird Moskau um jeden Preis an Assad festhalten oder ihn opfern, wenn andere moskautreue Regimegrößen an einer Übergangsregierung beteiligt werden? Wie schon oft zuvor erklärte Lawrow dazu: „Wir sorgen uns um das Schicksal des syrischen Volkes - und nicht um das einzelner Personen.“