Analyse: Länder ächzen unter Kosten für Asylbewerber

München (dpa) - Auf die 16 Bundesländer rollt wegen der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eine Kostenlawine zu. Allein in diesem Jahr werden sich die Ausgaben auf mindestens 5 Milliarden Euro verdoppeln.

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Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei allen Landesregierungen hervor. Im vergangenen Jahr betrugen die Ausgaben noch etwa 2,2 Milliarden Euro.

Die tatsächlichen Kosten liegen vermutlich noch höher, da nicht alle Bundesländer präzise Zahlen nennen können oder wollen. Außerdem berechnen nicht alle Länder zusätzliche Verwaltungskosten und Personalausgaben mit ein.

Im ersten Halbjahr zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge knapp 180 000 Asylanträge - mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2014. Ein drastisches Beispiel der Kostenexplosion liefert das finanzschwache Schleswig-Holstein: 2014 lagen die Asylausgaben bei 80 Millionen Euro, für 2015 waren zunächst 146 Millionen eingeplant. Inzwischen wurde die Summe laut Kieler Finanzministerium per Nachtragshaushalt auf 287 Millionen Euro aufgestockt - das bedeutet eine Verdreifachung innerhalb nur eines Jahres.

Neben Schleswig-Holstein mussten vier weitere Länder in diesem Jahr bereits Geld in jeweils dreistelliger Millionenhöhe nachschießen: Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg. „Die steigende Zahl der Asylbewerber und damit steigende Ausgaben schränken die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes ein“, sagt Stephan Gößl, der Sprecher des sächsischen Finanzministeriums. Dieses rechnet nach Ausgaben von 103 Millionen Euro 2014 in diesem Jahr mit 226 Millionen Euro. Die Beschreibung trifft auf jede einzelne der 16 Landesregierungen zu.

Ein teurer Sonderfaktor sind Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Deutschland kommen. Nach der Faustformel der bayerischen Behörden kostet die Unterbringung und Versorgung eines erwachsenen Asylbewerbers etwa 1300 Euro im Monat. Kinder und Jugendliche werden nach Jugendhilferecht betreut, was monatlich mit etwa 4000 Euro zu Buche schlägt. Bislang werden sie in dem Bundesland untergebracht, in dem sie ankommen.

Das hat vor allem Bayern getroffen, das im Schnittpunkt der zwei Hauptflüchtlingsrouten über das Mittelmeer und aus dem Balkan liegt. So sind im weiß-blauen Freistaat momentan etwa 10 000 jugendliche Flüchtlinge untergebracht, in Niedersachsen dagegen weniger als 1000.

Doch ab 1. Januar 2016 werden auch die Jugendlichen gleichmäßig auf alle Bundesländer verteilt. Das wird Bayern ein wenig entlasten und anderswo zusätzliche hohe Kosten verursachen.

Die politischen Folgen für die jeweiligen Landesregierungen sind je nach Finanzlage unterschiedlich. Für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bedeutet der Kostenanstieg von 410 Millionen Euro im vergangenen auf geschätzt 800 Millionen Euro in diesem Jahr, dass die Zeit der Milliardenüberschüsse im Etat vorbei ist.

Weit prekärer stellt sich die Lage in hoch verschuldeten Ländern wie Nordrhein-Westfalen dar, wo Seehofers Amtskollegin Hannelore Kraft (SPD) Jahr um Jahr Milliardendefizite auftürmt. Der rasante Anstieg der Asylkosten - allein für die Ausgaben des Innenministeriums wird mit einem Anstieg von 210 auf 587 Millionen Euro gerechnet - bedeutet faktisch, dass Düsseldorf weniger Geld für Krippen und andere Zwecke zur Verfügung hat. Es sei denn, Kraft macht noch mehr Schulden.

Parteiübergreifend treibt eine Furcht viele Politiker um: Sollten die Bürger auf den Gedanken kommen, dass wegen der Asylbewerber beim Wohnungsbau, beim Ausbau der Kinderbetreuung oder bei sonstigen Leistungen gespart werden muss, wäre das Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten. „Das Thema (Asyl) kann die Parteienstatik verändern““, warnte CSU-Chef Horst Seehofer kürzlich. Dementsprechend sind sich alle 16 Länder von Schleswig-Holstein bis Bayern in einem Punkt einig: Sie fordern mehr Geld von der Bundesregierung.