Analyse: Mario Monti soll es richten
Rom (dpa) - Fast zwei Jahrzehnte prägte der umstrittene Silvio Berlusconi die italienische Politik - auch mit seinen Korruptions- und Sexaffären. Doch erst die tiefe Schuldenkrise zwang den „Cavaliere“ in die Knie.
Jetzt soll der ausgewiesene Wirtschaftsfachmann Mario Monti Italien retten.
Nahezu eineinhalb Jahre hatte sich der politisch angeschlagene Ministerpräsident noch mit knappen Mehrheiten im Parlament halten und Sex-Skandale und Prozesse überstehen. Doch der immer massivere Druck der Finanzmärkte und die Fluchtbewegungen aus seiner Regierungspartei ließen ihm schließlich keine andere Wahl mehr.
Am Samstagabend trat Berlusconi die Abschiedsfahrt in den Palast des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano an, seine Gegner feierten ausgelassen. 24 Stunden später war dann klar: Nun soll Wirtschaftsfachmann Mario Monti rasch helfen. Doch dieser sagte nur „unter Vorbehalt“ zu, neuer Premier zu werden.
Der 75-jährige Medienzar und Milliardär hatte seit 1994 Italiens Politik aufgemischt und geprägt. Doch nun ist das Ende da. Mit allen offenen Fragen auch für Berlusconi selbst. Denn sein Medienimperium hat in der Finanzkrise gelitten - wie andere auch. Und kein Parlament bietet ihm jetzt noch juristischen Schutz vor den Prozessen um „Bunga Bunga“ und Korruption. Und davon warten eine ganze Menge auf ihn.
Berlusconi tritt ab, und in Rom warten alle gespannt darauf, wie es weitergeht. Nachfolger soll ein früherer EU-Kommissar werden. Napolitano erteilte dem 68-jährigen Monti am Abend den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Zwar leistete das Mitte-Rechts-Lager Berlusconis zuerst noch Widerstand gegen den „Technokraten“ Monti. Doch alle wissen: Im Eiltempo muss Italien aus dieser Regierungskrise heraus und sein Schuldenproblem angehen. Doch Monti muss erst noch konsultieren, er gilt als gründlicher Mann.
Bis zuletzt mochten manche nicht an einen Rücktritt des vom Geschäftsmann zum Politiker gewandelten Berlusconi glauben. Sie wollten doch erst mit eigenen Augen sehen, dass er ganz offiziell den Regierungspalazzo Chigi in Rom verlässt. So sehr hatte sich der „Cavaliere“ in all seinen Regierungsjahren als gewiefter Taktiker erwiesen, der sich auch aus aussichtsloser Lage noch befreien konnte.
Und dann gab es also einen Abgang praktisch durch die Hintertür, während seine Gegner mit Hupkonzerten, Freudenliedern und Spumante das von ihnen so lange herbeigesehnte politische Ende Berlusconis feierten. „So endet der Mann, der das Bad in der Menge, den schönen Schein, den Bühnenauftritt liebte“, schrieb das liberale Turiner Blatt „La Stampa“ am Sonntag dem geschlagenen Berlusconi hinterher.
Napolitano ließ dem stark geschwächten Berlusconi keine Wahl, vor allem aus Angst vor einem Abrutschen des hoch verschuldeten Landes in den Bankrott. Andere in Rom atmeten auf oder durch, zu lange waren sie als Berlusconi-Gegner um den Ruf ihres Landes im Ausland besorgt.
Auch in den letzten Stunden seiner Amtszeit hatte Berlusconi alle Hände voll zu tun. In seiner Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit) gab es eine Revolte gegen die früh erkennbare Neigung Napolitanos, dem parteilosen Wirtschaftsfachmann Monti die Führung einer Art Notregierung zwecks Umsetzung der dringenden Reformen anzudienen. Mühsam brachte er seine Partei dann doch auf Monti-Kurs. Nicht ohne damit zu drohen, dass man ja immer noch die Macht haben werde, eine Notregierung unter Monti im Parlament „abzuschalten“.
So konnte Berlusconi, selbst hin- und hergerissen, die Risse in seiner von ihm abhängenden Partei zunächst noch einmal kitten. Sein langjähriger Koalitionspartner Lega Nord will aber im Falle einer Regierung Monti in die Opposition gehen. Und auch Berlusconi sieht seine politische Arbeit durch den Sturz seiner Regierung beileibe nicht am Ende: „Mit doppelter Kraft“ wolle er jetzt weitermachen, erklärte er den Italienern am Sonntagabend in einer TV-Botschaft.
Aber könnte es Monti, der Wirtschafts- und EU-Experte aus dem lombardischen Varese, denn schaffen, das nötige Vertrauen des Parlaments zu bekommen? Und wie lange würde er sich im Dschungel der italienischen Politik dann halten können?
Die hohe Meinung, die die IWF-Chefin Christine Lagarde von dem ehemaligen EU-Wettbewerbs- und Binnenmarktkommissar hat, hilft nur wenig, wenn den Italienern jetzt schmerzhafte Reformen abverlangt werden. Etwa ein Dutzend Minister in einer Übergangsregierung, in den Schlüsselpositionen Fachleute und keine Politiker - so sehe Montis Konzept aus, berichteten die Medien.
Auch Italiens Sozialpartner - Arbeitgeber, Unternehmen und Gewerkschaften - waren sich am Tag des Berlusconi-Rücktritts einig wie selten: „Wir haben volles Vertrauen in Napolitanos Vorgehen“. Es gehe um „Wachstum, Stabilität und vor allem die Rettung des Landes.“ Um das zu erreichen, braucht Italien ein breites nationales Bündnis, wie Napolitano und der von ihm ausersehene Premier deutlich machten.