Analyse: Minister fürchten „rechtsextremistische Strömung“
Köln (dpa) - „Pegida“ und „Hogesa“ standen am Freitag auf der Tagesordnung der Innenminister bei ihrer Herbstkonferenz in Köln. Es sind Begriffe, die man vor einigen Wochen noch gar nicht kannte.
Die Dinge entwickeln sich schnell in diesem Herbst. Und die Politik kommt nicht immer hinterher.
Flüchtlinge kommen ins Land. In diesem Jahr waren es schon viele - Ende November mehr als 180 000 -, und 2015 sollen es noch mehr werden. Darunter sind Kinder, die mitansehen mussten, wie ihre Eltern im Mittelmeer über Bord geworfen wurden, weil sie den Schlepperbanden die nächste Rate nicht bezahlen konnten. Oder Frauen, die von Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vergewaltigt worden sind. Manche Bürger wollen sie trotzdem nicht in ihrer Nachbarschaft haben. In Bayern brannten in der Nacht zum Freitag drei Gebäude, die demnächst Flüchtlingsunterkünfte werden sollten.
Radikal-islamische Salafisten versuchen derweil, den IS von Deutschland aus zu unterstützen. Das empört viele Bürger, die eine Islamisierung befürchten - obwohl es zum Beispiel in Sachsen, wo „Pegida“ so stark ist, nur wenige Zehntausend Muslime gibt. Rechtsextremisten wiederum nutzen das aus und verbünden sich mit Hooligans - das nennt sich dann „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa). Wobei in dieser Woche die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) die Schlagzeilen beherrschen.
Diese Bewegung, die in kurzer Zeit an vielen verschiedenen Orten der Republik teils Tausende Bürger mobilisierte, bereitet den Innenministern derzeit die größten Sorgen. Wie man Extremisten im Zaum hält, ist nicht wirklich strittig und vor allem eine Fachfrage für Sicherheitsexperten. Wie man aber reagiert, wenn sich in der Bevölkerung eine breite unterschwellige Strömung der Unzufriedenheit abzeichnen sollte - das wäre eine hochpolitische Frage, die an die Substanz geht.
„Das ist eine besorgniserregende Gefahr“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der SPD-Ressortchef Ralf Jäger aus Nordrhein-Westfalen, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn sich das verfestigt, haben wir eine rechtsextremistische Strömung, die keiner in Deutschland will.“
Jäger glaubt, dass man den „Pegida“-Anhängern klar sagen muss, wer im Hintergrund die Fäden zieht und mit wem sie bei den Demonstrationen marschieren. „Neonazis in Nadelstreifen“ nennt der Mann aus Duisburg - bekannt für klare Worte - die Initiatoren. „Diese Aufwiegler müssen wir demaskieren.“ Seine Warnung wird am Ende der Kölner Konferenz von allen Ministern unterschrieben, aber die Bezeichnung „Neonazis in Nadelstreifen“ stößt auf Kritik.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verweist auf eine Studie, die belege, dass sich viele Bürger mittlerweile wie Fremde im eigenen Land fühlten. „Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“
Bei der abschließenden Pressekonferenz wird er dann gefragt, was dieses „ernst nehmen“ konkret bedeute. Antwort: „Wie viele Jahre soll es noch so bleiben, dass 200 000 Asylbewerber kommen, und was heißt das für unser Land? Sind unter den Asylbewerbern auch Terroristen, und müssen wir davor Sorge haben? Ist die Kriminalität bei Asylbewerbern höher? Was heißt es für meinen kleinen Sohn in der dritten oder vierten Klasse, wenn jetzt plötzlich fünf Aylbewerber in die Klasse kommen und sie können weder Deutsch noch überhaupt Lesen oder Schreiben? Das finde ich berechtigte Fragen.“ Schnelle Antworten darauf haben wohl nur die populistischen Vereinfacher parat.