Analyse: Monarchie geht nächsten Schritt
London (dpa) - Großes Strahlen bei den Royals: Die Bürgerliche Kate Middleton hat dem britischen Königshaus den ersehnten künftigen König geboren. Der Fortgang der 1000-jährigen Monarchie ist damit in direkter Linie auf Jahrzehnte gesichert.
Gemäß der Thronfolge wird der kleine Prinz in vielen Jahren nach seiner Urgroßmutter, Queen Elizabeth II., seinem Großvater Prinz Charles und seinem Vater Prinz William einmal die Krone tragen - als 43. Herrscher nach William dem Eroberer.
Die Monarchie hat mit der Geburt des Prinzen für eine weitere Generation geschafft, wonach sie seit Jahrhunderten trachtet - den Selbsterhalt, über alle gesellschaftlichen Wogen hinweg. Und das trotz - oder gerade wegen - des Gebots zur absoluten politischen Neutralität.
Die große Königin Victoria hatte vor mehr als 100 Jahren die Linie vorgegeben: Als erste Monarchin hatte sie Ereignisse bei Hofe zu öffentlichen Massenveranstaltungen werden lassen. Ihr Goldenes Thronjubiläum war eines der ersten großen Jubelereignisse im London vor der Jahrhundertwende - Historiker sahen dies später als eine notwendige Annäherung an das Bürgertum, einen fälligen Abgleich zwischen Monarchie und Realität - so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Die Windsors gehen diesen Weg konsequent weiter. Die Queen gibt sich mit ihren 87 Jahren bürgerlich-burschikos, jubelt beim Pferderennen, macht Frühstück aus der Tupperdose. „Seht her, wir sind wie Ihr!“, lautet die Botschaft der Royals ans Volk.
Und die Menschen nehmen es dankbar auf. Eine königliche Familie, die für ihre Untertanen greifbar nah erscheint, deren Leiden, Schicksale und Freudentage auch der Arbeiter auf der Bohrinsel oder die Krankenschwester in der Klinik teilen kann. Die aber dennoch für viele Briten Würde und gelebte Werte wie Kontinuität und Fleiß vermittelt.
Nach den Tiefs der 1990er Jahre mit dem Rosenkrieg von Charles und Prinzessin Diana, und deren tragischem Unfalltod 1997, sind die Windsors derzeit so beliebt wie selten zuvor. Entschiedene Monarchie-Kritiker gibt es nur wenige. Selbst, wer sich nicht mit dem Königshaus identifizieren kann, argumentiert doch, dass die Royals gut für Tourismus und Wirtschaft sind. Dass die Geburt des neuen Königskindes - wie in alten Zeiten - auf einer Staffelei vor dem Buckingham-Palast verkündet wurde, passt in dieses Bild. Selbstredend erst, nachdem die Königin, Premierminister David Cameron und der Erzbischof von Canterbury informiert worden waren. Herzogin Kate, die neue Mutter der Nation, passt wie angegossen in dieses filigrane Puzzle aus Moderne und Tradition. Strahlend schön, sportlich, modebewusst, aber dennoch irgendwie bodenständig, aus dem bürgerlichen Haus einer Familie von Selfmade-Millionären - so wurde sie zum Idol der Dreißigjährigen in Großbritannien, zur Lieblingsschwiegertochter und zum Männerschwarm. Für das Königshaus ist sie - und nun auch ihr Kind - der ideale Link zum Bürgertum.
Kein Geheimnis ist, dass sie ihr Kind anders erziehen wird, als selbst ihr Mann William, vor allem aber die ältere Royal-Generation um Prinz Charles und seine Geschwister inmitten der Palastmauern erzogen wurden. Kate wird nicht den teuren Super-Kinderwagen nehmen, in dem noch ihr William herumgeschoben wurde. Sie kaufte einen auch nicht ganz billigen „Bugaboo“, wie sie zu Hunderten in London zu sehen sind. Kate war auch nicht „too posh to push“ wie in britischen Promi-Kreisen der Hang zum Kaiserschnitt genannt wird - sie war sich nicht „zu vornehm zum Pressen“.
Die Briten wollen von ihrem Königshaus im 21. Jahrhundert noch mehr Bürgerlichkeit. Der Spross von William und Kate soll einmal „richtig arbeiten“, Erfahrungen in einem echten Beruf sammeln, statt nur zu repräsentieren. Das sehen laut einer Umfrage weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung so. Der Sohn Kates hinter dem Schreibtisch einer Bank oder als Anwalt im Gerichtssaal - das ist heute viel leichter vorstellbar als noch zwei Generationen zuvor.
Die Chancen stehen derzeit hervorragend, dass die Monarchie mit einem gekonnten Mix aus Moderne und Althergebrachtem auch noch dann Hoch im Kurs steht, wenn der kleine Prinz einmal König ist. Derzeit sehen sich in Großbritannien 77 Prozent der Menschen als Monarchisten - zwar drei Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahr - aber ein immer noch fast historisch hoher Zustimmungswert.