Analyse: Nordkoreas Führung spielt mit dem Feuer
Seoul (dpa) - Nordkorea spielt erneut mit dem Feuer. Erst droht es mit der Vernichtung Südkoreas, dann sogar mit einem atomaren Erstschlag gegen die USA. Damit macht das weitgehend isolierte Regime in Pjöngjang deutlich, dass es im Streit um seine umstrittenen Raketen- und Atomprogramme nicht einlenken will.
Daran werden nach Meinung von Beobachtern auch neue und schärfere Sanktionen des UN-Sicherheitsrats nichts ändern. Der Sicherheitsrat verhängte am Donnerstag mit der Stimme Chinas neue Strafmaßnahmen wegen des nordkoreanischen Atomtests im Februar.
Schon lange wird bezweifelt, ob Nordkorea trotz verschiedener Abrüstungsvereinbarungen in der Vergangenheit jemals dazu bereit war, auf Atomwaffen zu verzichten. „Ein Hauptziel Nordkoreas ist es, als echte Atommacht akzeptiert zu werden“, sagt ein Experte.
Beim lauten Säbelrasseln auf der koreanischen Halbinsel geht es vermutlich um mehr. Nordkoreas Drohung mit der Kündigung der Waffenstillstandsvereinbarungen von 1953 in dieser Woche wird auch als neuer Versuch gesehen, diplomatische Zugeständnisse von den USA zu erpressen. Das Abkommen, das den Korea-Krieg faktisch beendete, wurde bis heute nicht durch einen Friedensvertrag ersetzt.
Wie brüchig der Waffenstillstand ist, hatten in der Vergangenheit immer wieder verschiedene militärische Zwischenfälle deutlich gemacht. Im November 2010 hatte Nordkoreas Küstenartillerie zum ersten Mal seit dem Korea-Krieg wieder bewohntes Gebiet im Süden beschossen. Ziel war die grenznahe Insel Yonpyong. Seitdem hat sich die Lage nicht mehr spürbar entspannt.
Diesen Umstand will Nordkorea in der jetzt prekären Lage zu seinem Vorteil nutzen. „Ohne Zweifel versucht Pjöngjang, die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel auf das höchste Niveau zu heben“, kommentierte die südkoreanische Zeitung „JoongAng Ilbo“. Nordkorea hatte bereits mehrfach das Abkommen von 1953 zu torpedieren versucht. Pjöngjang drängte jedes Mal Washington zur Unterzeichnung eines bilateralen Friedensabkommens - unter Ausschluss Südkoreas.
Doch ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt bei all den Spekulationen um die Absichten Nordkoreas. Denn die inneren Vorgänge in dem abgeriegelten stalinistisch geprägten Staat gelten als schwer durchschaubar. Diplomaten sagen, dass nicht einmal sicher sei, ob der junge Machthaber Kim Jong Un die volle Kontrolle in dem Staat ausübe.
Nordkoreas Regime hatte seit dem Tod von Kims Vater und Vorgänger Kim Jong Il Ende 2011 wiederholt bekräftigt, an dessen Politik festzuhalten, dem Militär Vorrang einzuräumen. Fachleute sind sich einig, dass Kim Jong Un durch Drohungen und die Demonstration militärischer Stärke seine Position festigen will.
Was kommt als nächstes? Die Spirale der Eskalation könnte sich schon bald weiterdrehen. Die Armeeführung in Pjöngjang hatte bereits angedeutet, weitere Atom- und Raketentests zu planen. Dazu drohte sie auch Militärschläge an. Nordkorea fühlt sich erneut durch laufende Militärmanöver der südkoreanischen Streitkräfte mit den USA provoziert. Südkorea nimmt die Drohungen sehr ernst.
Der Norden verfügt nach Meinung von Experten nicht über die Mittel für einen direkten Atomangriff auf die USA. Südkorea schließt jedoch eine militärische Provokation nicht aus. Auch Nordkorea bereitet sich nach Seouls Einschätzung auf massive Truppenübungen vor. Ein kleiner Grenzzwischenfall könnte schnell zu einem begrenzten bewaffneten Schlagabtausch eskalieren, befürchten die Menschen.