Analyse: Regimetreue Familien verlassen Syrien
Beirut/Amman(dpa) - Schon in den frühen Morgenstunden bilden sich lange Schlangen am syrisch-libanesischen Grenzübergang Masnaa. Kurz nachdem die UN-Chemiewaffenexperten das Land in Richtung Beirut verlassen haben, wollen sich auch viele Syrer vor dem erwarteten Militärschlag in Sicherheit bringen.
Unter ihnen sind auch Anhänger des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Sie wollen jedoch nur kurz im Ausland bleiben.
Doch die Ausreise der begüterten Familien aus Damaskus ist nicht der einzige Grenzverkehr, den die Drohung von Präsident Barack Obama in Gang gesetzt hat. Auch an der jordanisch-syrischen Grenze ist in diesen Tagen viel los. Allerdings bewegen sich die Menschen hier in die entgegengesetzte Richtung.
Nach Angaben syrischer Rebellen sind in den vergangenen Tagen 2500 Kämpfer und neue Freiwillige von Jordanien in den Süden von Syrien gereist. „Sie sehen die US-Angriffe als Gelegenheit, das Regime endlich zu stürzen, und sie wollen alle dabei sein“, sagt Eiman Hariri, ein Vertreter der oppositionellen Nationalen Syrischen Allianz in Jordanien.
Auch die von den USA gebilligten und von Katar und Saudi-Arabien finanzierten Waffenlieferungen an die Rebellen haben zugenommen. „Es ist eine Entscheidung getroffen worden, dass die Freie Syrische Armee (FSA) besser ausgestattet werden muss, damit militärische Angriffe in Syrien erfolgreich sein können“, sagt ein US-Beamter, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. „Letzte Woche haben wir endlich Waffen aus dem Westen und von Saudi-Arabien erhalten, aber es reicht immer noch nicht aus“, erklärte ein FSA-Kommandeur, der sich Abu Dijaa al-Haurani nennt.
Die Syrerin Rama Dschubeili glaubt im Gegensatz zu den Rebellen nicht, dass die Assad-Ära bald zu Ende sein wird. Die Mutter dreier Kinder sagt, während sie die Grenze in Richtung Libanon überquert: „Wir sind hier nur, weil wir mit einer Militärintervention rechnen. Es ist wie Urlaub für uns, danach werden wir wieder zurückkehren und unsere Regierung unterstützen.“ Den USA gehe es bei dem möglichen Einsatz nur um eigene und israelische Interessen, betont sie.
Washington hatte zuvor erklärt, dass es „klare und schlüssige“ Beweise dafür gebe, dass das syrische Regime chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Der UN-Untersuchungsbericht wird aber frühestens in zehn Tagen erwartet.
In den meisten Fahrzeugen mit syrischen Nummernschildern sitzen Frauen und Kinder. Innerhalb von zwei Stunden zählt ein Grenzbeamter etwa 250 Menschen, die über die Grenze kommen. In den vergangenen zwei Tagen seien es rund 15 000 gewesen, sagt er. Die meisten seien aus den vom Regime kontrollierten Gebieten gekommen.
Auch Dina - die in einer Nobelkarosse in den Libanon fährt - plant, nicht lange dort zu bleiben. „Wir warten eine Woche und schauen, was passiert“, sagt sie. „Falls es schlimmer wird, werden wir zu meinem Sohn reisen, der in Frankreich studiert.“