Analyse: Rivalen oder Partner?

Washington (dpa) - Lange nicht mehr ist in Washington der Besuch eines Staatschefs derart akribisch vorbereitet worden wie die Visite Hu Jintaos.

Ausländische Diplomaten wurden eigens ins Außenministerium geladen, um einer Grundsatzrede der Hausherrin Hillary Clinton zu den amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu lauschen. Offenbar besteht Erklärungsbedarf.

Tatsächlich war die Rede Clintons kompliziert, gespickt mit reichlich Konjunktiven, vielen Wenns und Abers. Ein Schlüsselsatz daraus: „Dies ist kein Verhältnis, das einfach in Schwarz-Weiß-Kategorien passt, wie etwa Freund oder Rivale.“ Man sei an einem „kritischen Punkt“ der Beziehungen angelangt. Das klingt ganz nach Überdenken alter Schablonen und nach Neubeginn.

Doch zugleich präsentierten Clinton und andere Regierungsmitglieder noch vor dem Eintreffen Hus einen Forderungskatalog, auf den Peking schon in der Vergangenheit kühl bis eisig reagiert hatte. Die Wunschpalette reicht von der Freilassung politischer Gefangener bis zur Aufwertung des chinesischen Yuan, von der Forderung nach Hilfe bei der Eindämmung Nordkoreas bis zur Beschränkung der China-Importe, die den amerikanischen Markt überschwemmen.

Auch Hu und die chinesische Führung fahren zur Einstimmung auf den Besuch eine Doppelstrategie, die die andere Seite verwirren soll. Mit seiner These, dass die Dollar-Dominanz in der Welt ein „Produkt der Vergangenheit“ sei, lancierte Hu eine Breitseite, die in Washington unter die Haut geht wie kein anderes Thema. Sechzig Jahre lang haben die Amerikaner von der Rolle des Dollar als Leitwährung profitiert - ein Ende würde die USA in eine tiefe Krise stürzen. Hu weiß das.

Doch zugleich plädiert auch er dafür, in den Beziehungen ein neues Kapitel aufzuschlagen und die „Nullsummen-Mentalität des Kalten Krieges“ hinter sich zu lassen.

Kein Zweifel: Barack Obama und Hu sind sich bewusst, dass sie in einer Zeitenwende leben. Einige Kommentatoren werten den Gipfel in Washington als das Treffen einer aufsteigenden Großmacht mit einer Weltmacht, die ihre besten Zeiten hinter sich hat.

Zurückhaltende Experten sehen das gelassener: Trotz des rasanten Wirtschaftswachstums habe China noch einen weiten Weg vor sich, trotz mancher Probleme dürften die USA noch einige Zeit „Number one“ in der Weltpolitik bleiben. Kaum ein Zufall etwa, dass Clinton in ihrer Rede betont, dass die Wirtschaftskraft Chinas lediglich ein Drittel der US-Wirtschaft entspricht - vor dem Eintreffen Hus soll das reale Kräfteverhältnis noch einmal klar abgesteckt werden.

Obama - der am 20. Januar zwei Jahre im Amt ist - hat von Anfang an klargemacht, dass für ihn China und Asien außenpolitische Priorität haben, etwa vor Europa. Der wirtschaftliche Aufstieg Pekings fasziniert, der militärische Aufstieg bereitet Unbehagen - und was Menschenrechte angeht, sind sich die Verantwortlichen in Washington unsicher, wie sie auf die Entwicklung reagieren sollen.

„Die langgehegte Hoffnung, dass die Vereinigten Staaten und China sich zusammensetzen und einen Plan entwerfen, um Frieden und Stabilität zu erreichen, ist zu einer eher entfernten Hoffnung geworden“, heißt es in einer Analyse des Council on Foreign Relations, einem Think-Tank in Washington. Streit um die Währung, Streit um Behinderung von US-Exporten, dann noch die hässliche Reaktion Chinas auf die Nobelpreisverleihung an den Dissidenten Liu Xiabo - tatsächlich sind die Beziehungen eher schwieriger geworden.

Das Dilemma, aus amerikanischer Sicht: Washington braucht Peking auch politisch. Etwa bei der Eindämmung Nordkoreas oder im Vorgehen gegen das iranische Atomprogramm. Zwar heißt es in Washington, Obama wolle auch diesmal die Frage der Menschenrechte ansprechen, doch im Mittelpunkt des Gipfels stehe die Wirtschaft und das Geld. Die USA messen einer Ausweitung der Exporte nach China eine Schlüsselrolle zu, immer wieder verweisen sie auf chinesische Behinderungen.

Doch auch hier sind unabhängige Experten eher skeptisch. „Die Vereinigten Staaten sollten China weder die Schuld dafür geben, wo ihre Wirtschaft heute steht„, heißt es in der Studie des Council on Foreign Relations, „noch China dafür verantwortlich machen, wo sich die US-Wirtschaft morgen befinden wird.“