Analyse: Sanders Sieg und Clintons Alptraum

Concord (dpa) - Man merkte ihr nichts an. Kein Zittern in der Stimme, kein Straucheln. Die Menge feierte sie. Hillary Clinton hielt eine ziemlich optimistische Rede. Dabei hatte sie gerade eine sehr heftige Niederlage einstecken müssen.

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Zu diesem Zeitpunkt lag Bernie Sanders um 20 Prozentpunkte vor ihr. Lange bevor alle Stimmen ausgezählt waren, wurde er zum Sieger der Demokraten bei der Vorwahl in New Hampshire erklärt. Wenig später stand auch er auf einer Bühne. Und hielt eine ziemlich lange, ziemlich durchschnittliche Rede.

Sanders gewann bei den Demokraten. Bei den Republikanern holte Donald Trump den Sieg. Dann kam lange keiner. Aber dazu später.

Viel ist in den vergangenen Wochen geschrieben worden über die überraschende Aufholjagd des Bernie Sanders. Wie der Senator von Vermont die Menschen in Massen begeisterte mit seinem Versprechen auf eine politische Revolution. Wie er plötzlich an Clinton vorbei zog.

Man muss sich das trotzdem noch einmal vor Augen führen. Als Sanders antrat, galt er als chancenlos, als linker Außenseiter. Als ein weißhaariger alter Mann, der es halt noch mal versuchen wollte. Niemand nahm ihn ernst. Clinton schon gar nicht.

Aber schon in Iowa bekam sie einen Denkzettel. Ihr Sieg dort war hauchdünn, gerade mal 0,2 Prozentpunkte lag sie vor dem 74-Jährigen.

Und nun das. Dass sie hier nicht gewinnen würde, hatte Clinton einkalkuliert. Dass es so heftig werden würde, hatte kaum jemand erwartet. Sanders gewann in New Hampshire laut dem Politikwissenschaftler David Jones bei so ziemlich allen Gruppen. Bei Frauen, bei Männern. Bei denen mit Hochschulabschluss, bei denen ohne. Bei den Moderaten, bei den Liberalen.

Der Teil mit den Frauen dürfte besonders schmerzhaft für Clinton sein. Sie, die als erste Frau das Präsidentenamt übernehmen will.

Aber trotzdem: Auf lange Sicht heißt das Ergebnis noch nichts. New Hampshire spielt zahlenmäßig kaum eine Rolle. Gerade mal 32 Delegierte schicken die Demokraten hier auf ihren Parteitag im Sommer, auf dem der Spitzenkandidat gekürt wird.

Und nach New Hampshire ist vor South Carolina. Dort geht es um mehr. Um andere Wähler. In Iowa und New Hampshire ist die Bevölkerung überwiegend weiß. In South Carolina machen Schwarze fast 30 Prozent aus, mehr als doppelt so viel wie im landesweiten Durchschnitt. Minderheiten spielen in dem Staat an der Südostküste eine größere Rolle. Und diese Wähler - so die Erwartung von Clintons Kampagne - unterstützen die 68-Jährige.

Noch am Dienstag verschickte ihr Team eifrig Pressemitteilungen. Sie erzählten davon, dass zahlreiche Demokraten aus South Carolina sie unterstützen. Dass die Mütter von Eric Garner, Dontre Hamilton und Jordan Davis für sie Wahlkampf machen werden. Alle drei - allesamt schwarz - waren durch Polizeigewalt ums Leben gekommen.

In den Staaten nach New Hampshire sieht es gut aus für Clinton und schlecht für Sanders.

Viel dürfte davon abhängen, wie lange er durchhält. Wie lange er seine Kampagne noch finanzieren kann. 75,1 Millionen US-Dollar hat er laut „New York Times“ an Spenden zusammenbekommen, 46,7 Millionen hat er davon schon ausgegeben. Vielleicht beschert ihm der Sieg in New Hampshire noch einmal einen Aufwind, was das Geld angeht.

Aber egal wie lange Sanders noch kämpft, eines hat er schon erreicht. Er hat Clinton nach links gedrängt. Sie ließ in den vergangenen Tagen kaum eine Gelegenheit aus, in der sie nicht betonte, wie progressiv sie sei. Würde er bald aufgeben, könnte sie sich mehr auf die Mitte konzentrieren.

Hält er noch sehr lange durch, wäre sie weiterhin gezwungen, um die Gunst der Wähler am linken Rand zu kämpfen. Das wäre eine sehr ungünstige Ausgangsposition für den zweiten Teil des Wahlkampfes. Dann, wenn es darum geht, im direkten Duell gegen den republikanischen Kandidaten zu punkten.

Bei den Konservativen ist die Lage wesentlich komplizierter. Sicher, Trump ragt heraus. Und er, der Gewinner-Typ, konnte am Abend endlich die Geschichte eines Sieges erzählen, nachdem er vergangene Woche in Iowa nur den zweiten Platz geholt hatte. „Wir werden bald so viel gewinnen, ihr werdet alle so glücklich sein“, rief er seinen Anhängern zu.

Nach Trump kommt lange keiner. John Kasichs zweiter Platz ist ein Erfolg für den Gouverneur von Ohio, der zuletzt recht lustlos gewirkt hatte. Aber weder Kasich noch einer der anderen Bewerber konnte eine breite Wählerschaft auf sich vereinen. Die Stimmen verteilten sich ziemlich gleichmäßig auf Ted Cruz, Jeb Bush und Marco Rubio. Sie nahmen sie sich gegenseitig weg. Es dürfte ein sehr zäher Kampf werden, ein langsamer Tod der einzelnen Kampagnen - im Kampf gegeneinander statt gegen die Demokraten.