Analyse: Sportwaffe - Mordwaffe?
Berlin (dpa) - Der Todesschütze von Oslo hatte seine Waffen legal erworben; auch die Waffe des Amokläufers von Winnenden stammte aus erlaubtem Besitz eines Sportschützen. Nach dem Attentat in Norwegen werden die Stimmen lauter, die Schießsportlern zumindest Großkaliber-Waffen aus den Händen reißen möchten.
„Wir streben ein generelles Verbot für den privaten Besitz großkalibriger Faustfeuerwaffen an“, sagt der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD). Ausnahmen solle es nur für Jäger geben.
Auch der Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Innere Sicherheit, Wolfgang Wieland, will weniger Waffen in deutschen Haushalten - wo Schätzungen zufolge rund zehn Millionen zulassungspflichtige Schusswaffen mehr oder weniger gut verstaut sind. So durfte der 17 Jahre alte Amokläufer von Winnenden, der 15 Menschen erschoss, zwar selbst keine Waffen besitzen - sein Vater jedoch hatte die 9mm-Pistole der Marke Beretta unverschlossen aufbewahrt.
Zumindest müssten Sportschützen gezwungen werden, Waffen und Munition getrennt aufzubewahren, sagt Wieland. Das Ziel müsse jedoch sein, „dass Sportschützen nicht mehr mit Großkaliberwaffen schießen dürfen“. Denn: „Nicht allen Sportschützen geht es ausschließlich ums Zielen und Treffen. Die Vereine sind ein Schirm, unter dem sich auch Waffennarren aufhalten.“
Rückendeckung gibt es vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK). „Großkalibrige Pistolen und Revolver sollten nicht für privaten Sport benutzt werden“, sagt BdK-Vize Bernd Carstensen. Eigentlich würden derartige Waffen für Polizei und Militär hergestellt. „Wir haben eine Vielzahl von Fällen, in denen Menschen mit solchen Waffen getötet oder verletzt wurden, und in denen die Täter legalen Zugang hatten.“
So erschoss im März diesen Jahres in Genthin (Sachsen-Anhalt) ein psychisch kranker Mann drei Menschen mit einer Waffe, die er an einem Schießstand ausgeliehen hatte. Im September 2010 lief im badischen Lörrach eine 41-jährige Anwältin Amok - sie tötete ihre Familie, erschoss den Pfleger eines Krankenhauses und feuerte so lange um sich, bis sie von der Polizei erschossen wurde. Auch sie war eine ehemalige Sportschützin.
Die Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ hat eine Liste erstellt mit Fällen, in denen nach ihren Recherchen Menschen mit Sportwaffen getötet wurden. Von 1991 bis heute zählen die Waffengegner 121 Tote. Im vergangenen Jahr hat die Initiative gemeinsam mit Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden Verfassungsbeschwerde eingelegt. Doch die Aussichten, auf juristischem Wege eine Verschärfung des Waffenrechts zu erzwingen, gelten als eher begrenzt.
So müsste für eine Änderung der Gesetzgeber aktiv werden. Die Grünen hatten im vergangenen Jahr einen Entschließungsantrag zur Verschärfung des Waffenrechts in den Bundestag eingebracht - hierüber wurde bislang noch nicht entschieden. Schützenvereine und Waffenhersteller wehren sich gegen weitere Beschränkungen.
„Das Schützenwesen ist Teil unserer sozialen Kultur, gewachsen über Jahrhunderte“, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Im Innenministerium verweist man darauf, dass das Waffenrecht erst 2009 verschärft wurde. „Im Hinblick auf notwendigen Anpassungsbedarf unterliegt es einer fortlaufenden Überprüfung“, erläuterte ein Sprecher. Von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es keine offizielle Stellungnahme. Man wolle abwarten, was die Ermittlungen zu den Osloer Anschlägen ergeben, heißt es aus Fraktionskreisen. „Es könnte aber sein, dass eine Neubewertung erforderlich ist.“