Analyse: Teilzeit in Kasernen - Von der Leyens erste Pläne
Berlin (dpa) - Bei ihrem ersten Besuch in Afghanistan machte die neue Verteidigungsministerin um Drohnen und Maschinengewehre einen großen Bogen. Sie blieb im Dezember innerhalb der Mauern des Camps, vermied Bilder mit Schutzweste und Helm.
Auch der erste inhaltliche Aufschlag von Ursula von der Leyen bleibt zivil. Die frühere Arbeitsministerin kündigt an, die Bundeswehr mit ihren derzeit knapp 186 000 Soldaten zu einem familienfreundlichen Top-Arbeitgeber umbauen zu wollen.
„Mein Ziel ist es, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen. Das wichtigste Thema ist dabei die Vereinbarkeit von Dienst und Familie“, sagt die CDU-Politikerin der „Bild am Sonntag“ in ihrem ersten großen Interview im neuen Job. „Unsere Soldatinnen und Soldaten lieben ihren Beruf, aber sie möchten auch, dass ihre Ehen halten und sie ein glückliches Familienleben führen.“ Die Truppe müsse Dienst- und Familienzeiten besser aufeinander abstimmen, verkündet die siebenfache Mutter.
Und führt weitere Punkte an: Flexibles System der Kinderbetreuung, mehr Tagesmütter für Randzeiten, Teilzeitmöglichkeiten mit einer Drei-oder Viertagewoche in der Familienphase, ein Lebensarbeitszeitkonto für Überstunden. Auch will sie sich das System der nahezu automatischen Versetzungen alle zwei bis drei Jahre „genau ansehen“ und Schluss mit dauernden Ortswechseln machen.
Dafür müsste von der Leyen allerdings das Laufbahnrecht der Bundeswehr vom Kopf auf die Füße stellen. Das wäre eine umfassende Reform der Truppe, die noch mit den Folgen der jüngsten Bundeswehrreform mit Berufsarmee und Standortschließungen zu kämpfen hat.
Von der Leyens Vorgänger, Innenminister Thomas de Maizière, hatte bei seinem Abschied noch schnodderig gesagt: „Ziel der Neuausrichtung war es nicht und konnte es nicht sein, die Zufriedenheit der Soldaten und Mitarbeiter zu erhöhen.“ Doch der Preis dafür ist hoch: Die Zahl der Beschwerden beim Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus erreichte 2013 einen Höchststand.
Als einen Grund für den Frust in der Truppe nannte Königshaus in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa die häufigen Versetzungen. Inzwischen gebe es bei der Bundeswehr weit mehr als 50 Prozent Pendler - 16 Prozent Fernpendler, 38 Prozent Wochenendpendler und viele „Nahpendler“. „Viele fühlen sich von ihrem Dienstherrn alleingelassen. Die Anlässe für Versetzungen müssen reduziert werden.“
Im Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2012 heißt es, die Zahl der Eingaben, in der die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Dienst beklagt wird, sei „erneut deutlich angestiegen“ und machten besonders jüngeren Angehörigen der Streitkräfte zu schaffen. Auch Beispiele werden genannt: So sei einem Lehrgangsteilnehmer verwehrt worden, zur Geburt seines Kindes zu fahren. Ein Antrag aus familiären Gründen heimatnah versetzt zu werden, sei als „lachhaft“ zurückgewiesen worden. Die Bitte, einen Dienstzeitausgleich für die Betreuung eines Kind nehmen zu können, wurde abschlägig beschieden. Begründung: Es gebe auch ein Nein, wenn jemand „wegen eines kranken Pferdes zu Hause Urlaub machen wolle“.
Solche Beispiele vor Augen hatte von der Leyen bereits kurz nach ihrer Nominierung angekündigt, sich um einen besseren Ruf der Bundeswehr als Arbeitgeber bemühen zu wollen. Dafür qualifizierten sie ihre Erfahrungen als Familien- und Arbeitsministerin. Nun setzt die 55-Jährige diese Ankündigung um und gewinnt ein wenig Zeit bei Fragen von Rüstungsprojekten oder militärischen Einsätzen. Hier sind deutliche Positionierungen schwieriger.
Ein Thema wird jedoch auch Polit-Strategin von der Leyen nicht lösen können: Soldaten im Auslandseinsatz - und das sind derzeit rund 5000 von Afghanistan bis zur Westsahara - können ihren Beruf nicht mit der Familie verbinden. „Es gibt keine Teilzeitkriege und keine familienfreundlichen Militäreinsätze“, erklärt die Linkspartei am Sonntag.