Analyse: Ungleiches Paar Merkel und Hollande auf neuen Wegen?

Paris (dpa) - Bei den beiden schaut ganz Europa genau hin. Angela Merkel und François Hollande scheinen oft weit weg von einem gemeinsamen Ansatz im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. Immer wieder treten Differenzen auch offen zutage.

Nun soll ein neuer Anlauf der politisch so ungleichen Führungsspitzen Deutschlands und Frankreichs her.

Am Donnerstag in Paris öffneten Merkel und Hollande vielleicht ein neues Kapitel ihrer Beziehungen. Erstmals seit der Wahl Hollandes im Mai 2012 trafen sich die konservative Deutsche und der sozialistische Franzose, um - von offiziellem Beiprogramm begleitet - bilateral einen EU-Gipfel vorzubereiten. Bisher waren solche Vorgespräche der beiden führenden EU-Nationen eher beiläufig erledigt worden.

Hollande wollte die enge Kooperation seines ungeliebten Vorgängers Nicolas Sarkozy mit Merkel nicht fortführen. Doch die führende Rolle der beiden wichtigsten Wirtschaftsnationen in Europa verlangt neue Strategien.

Die Luft ist dünn geworden im Europa der Krise, zunehmend auch für Frankreich. Am Donnerstag wurden neue Rekordzahlen bei der Arbeitslosigkeit erwartet, die Wirtschaft steht am Rande einer Rezession, europäische Sparziele werden verfehlt. „Frankreich hat in den vergangenen zehn, vielleicht sogar auch 20 Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren“, konstatiert EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. EU-Kommissar Günther Oettinger geht noch weiter: Für ihn ist Frankreich „null vorbereitet auf das, was notwendig ist“.

Hollande wies konkrete Vorschläge zu Rentenform, Arbeitskosten oder mehr Wettbewerb ebenso umgehend wie barsch zurück. „Die EU-Kommission hat uns nicht zu diktieren, was wir zu machen haben.“ Der Präsident möchte Handelnder bleiben - oder zumindest so erscheinen. „Ich will nicht, dass man uns nachsagen kann, wir würden eine Rentenreform machen, weil die Kommission es von uns verlangt“, wird Hollande in „Le Monde“ aus seinem Umfeld zitiert.

Die Ausgangslage im krisengeschüttelten Frankreich scheint ungleich schwerer als etwa bei der Agenda 2010 eines rot-grünen Kanzlers Gerhard Schröder. Während in Deutschland Gewerkschaften unter einem Dachverband weitgehend harmonisieren, konkurrieren in Frankreich mehrere Organisationen in knallharten, teils gewalttätigen Tarifkonflikten. Auch eine Einigung zwischen einigen Gewerkschaften und Arbeitgebern zur ersten Arbeitsmarktreform konnte Hollande nur unter Androhung eigener Regierungsschritte erreichen.

Hollandes Kritik am „Diktat aus Brüssel“ sieht Claire Demesmay, Frankreich-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, auch innenpolitisch begründet. „Hollande hat große Probleme, er ist innenpolitisch geschwächt und muss gegen eine verstärkte Euroskepsis in Frankreich kämpfen“, sagte Demesmay der dpa. Und: „Frankreich hat schon immer empfindlich auf externe Kritik reagiert.“

Umso willkommener ist nun eine gesprächsbereite Kanzlerin. Die wahlkämpfende Merkel kann sich dem Ringen etwa gegen die Arbeitslosigkeit von sechs Millionen Jugendlichen in Europa kaum verschließen. Erste gemeinsame Pflöcke wurden Anfang der Woche ebenfalls in Paris eingeschlagen. Eine neue Initiative soll kleine und mittlere Unternehmen durch günstige Kredite der Europäischen Investitionsbank verstärkt fördern. Die EIB hat dafür bis 2015 rund 60 Milliarden Euro zur Verfügung.

Nun wollen Deutschland und Frankreich gemeinsame Positionen für den EU-Gipfel im Juni in Brüssel erarbeiten. Die Vorschläge sollen rechtzeitig den Partnern vorgelegt werden können. Noch wird um Einzelfragen gerungen, heißt es von beiden Seiten.

Bei der engeren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene geht es um eine Harmonisierung der Arbeitsmarktpolitik, bei der Merkel ein europäischer Binnenmarkt vorschweben soll. Zudem stehen Renten und Pensionen auf der Agenda, ebenso wie Steuerfragen, Forschung und Bildung sowie Fragen der Mobilität.

In Leipzig, bei der 150-Jahr-Feier der SPD, lobte Hollande die Schröderschen Agenda-Reformen kürzlich sehr offen. In Paris nun lässt Hollande so etwas nur aus seinem Gefolge verlauten: „Wie auch immer - wir müssen diese Reform machen.“