Analyse: Wahlkampf mit dem BER-Debakel
Berlin (dpa) - Die Dauer-Misere um den neuen Hauptstadtflughafen bietet reichlich Stoff für Polittheater. Wenige Tage vor der Niedersachsenwahl drehen beide Seiten noch einmal besonders kräftig auf.
Da wirft SPD-Chef Sigmar Gabriel Verkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU Täuschung der Öffentlichkeit vor. Der habe früher über den erneut verschobenen Flughafen-Start gewusst. Was Ramsauer empört.
Dann laden Union und FDP im Bundestag für Dienstagvormittag ganz kurzfristig zu einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses ein, um diese dann nach nur einer Stunde wieder abzubrechen. Weshalb sich SPD, Grüne und Linke empört geben und vor den vielen Kameras der Hauptstadt-Medien über die „Farce“ und den „PR-Rummel“ wettern.
Schwarz-Gelb wiederum redet sich in Rage, weil die zwei SPD-Ministerpräsidenten und Mitverantwortlichen für das Airport-Debakel aus Berlin und Brandenburg die Einladung der Haushälter ausschlagen: Matthias Platzeck weilt auf einer auswärtigen Sitzung seines rot-roten Kabinetts. Auch Klaus Wowereits Kabinett tagt, er sei „terminlich verhindert“, heißt es beim Berliner Senat.
Die Absagen der beiden maßgeblichen Flughafen-Planer standen schon am Montag fest. Abgeblasen wurde die Sondersitzung trotzdem erst am Folgetag. Zur erhofften Aufklärung und Weichenstellung noch vor der Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft am Mittwoch hat dieses publikumswirksame Kurz-Scharmützel nicht beigetragen. Was es wohl auch nicht sollte. Das Airport-Chaos ist längst ein Wahlkampfthema.
So will Schwarz-Gelb Berlins Regierenden Bürgermeister Wowereit und Brandenburgs Regierungschef Platzeck (beide SPD) als die Hauptschuldigen vorführen. Platzeck soll an diesem Mittwoch von Wowereit den Posten als BER-Aufsichtsratschef übernehmen, was dem Bund nicht passt und weshalb über eine Interimslösung spekuliert wird. Platzeck könnte schon bald wieder abgelöst werden.
Und Rot-Grün knüpft sich jetzt mit Ramsauer einen Unionsmann vor. Der Verkehrsminister ist wie der Bund bisher kaum in die Schusslinie geraten. Ramsauer sitzt - anders als Wowereit und Platzeck - nicht selbst im Aufsichtsrat. Sein Mann in dem Kontrollgremium ist Rainer Bomba. Ramsauer lässt Kritik daher bisher an sich abprallen.
Insgesamt vermittelt der Bund den Eindruck, als könne er für die Airport-Affäre so gar nichts. Schließlich sei er mit 26 Prozent nur Minderheitsgesellschafter neben den maßgeblichen Haupteignern Berlin und Brandenburg. Dass aber Vertreter des Bundes in BER-Gremien überstimmt wurden, ist bisher nicht überliefert. Zur Sondersitzung kommt Ramsauer am Dienstag trotzdem - obwohl er nach Angaben aus dem Ausschuss inzwischen gar nicht mehr als Gast vorgesehen gewesen sein soll.
Ramsauer nutzt die Gelegenheit und weist die Gabriel-Vorwürfe vor breiter Öffentlichkeit zurück. Im Ausschuss selbst kann der CSU-Mann von den Haushältern nicht mehr befragt werden. Die Hoffnung der Opposition, endlich auch Ramsauer zu „grillen“, erfüllen sich nicht. Union und FDP, die die Sondersitzung durchgedrückt haben, setzen nun - gegen den Willen von Rot-Grün - einen Abbruch durch.
Von einer Inszenierung will man im Koalitionslager nicht reden. Schließlich sollten auf der Sondersitzung auf Antrag von Union und FDP wichtige Vorgaben für die Aufsichtsratssitzung beschlossen werden - unter anderem zum umstrittenen Wechsel an der Spitze des Gremiums.
„Die Koalition hat praktisch Herrn Ramsauer den Mund verbotenen“, schimpft SPD-Vertreter Johannes Kahrs anschließend in die Mikrofone und stellt sich vor Wowereit und Platzeck: Wenn am Montag um 16.11 Uhr zu einer Sondersitzung am Dienstag um 11.00 Uhr eingeladen werde, könne man nicht erwarten, dass Ministerpräsidenten „von heute auf morgen springen“. Das sei schlicht kein mitteleuropäischer Anstand.
„Das ist ja lächerlich“, kontert die FDP-Vertreterin Claudia Winterstein. Sie und Unions-Haushälter Norbert Barthle (CDU) verweisen darauf, dass Ramsauer, der im Gegensatz zu Wowereit und Platzeck seine Termine änderte, nicht dem Aufsichtsrat angehöre. Eine Ausschusssitzung mache erst Sinn, wenn die „beiden Herren“ anwesend sind. Und ganz so kurzfristig habe man nicht eingeladen: „Informell“ sei der Wunsch bereits vergangenen Freitag angekündigt worden.