Analyse: Was ist mit Deutsche-Bank-Chef Jain los?
Frankfurt/Main (dpa) - Die Deutsche Bank versucht den nächsten Befreiungsschlag. Eigentlich hatte das Management schon vor einem Jahr die größten Anstrengungen beim Aufbau wichtiger Kapitalpuffer gegen neue Krisen für abgeschlossen erklärt.
Der „Hungermarsch“ sei vorüber, rief Co-Chef Anshu Jain seinerzeit den Analysten zu und weckte Hoffnung auf endlich wieder steigende Gewinne und Dividenden.
Nur gut zwölf Monate später erweist sich dies als Fehleinschätzung. Die damalige Kapitalerhöhung von drei Milliarden Euro reicht nicht aus. Nun will sich die Bank weitere acht Milliarden Euro durch die Ausgabe neuer Aktien besorgen - ein erneuter schmerzhafter Einschnitt für die Alt-Aktionäre.
NordLB-Analyst Michael Seufert meint, die Entscheidung komme einem Eingeständnis gleich, dass die 2012 aufgelegte „Strategie 2015+“ nicht aufgehe. Vor allem Jain - in der Doppelspitze mit Jürgen Fitschen für die Kapitalmarktthemen zuständig - steht im Blickpunkt.
Der gebürtige Inder mit britischem Pass stand lange als oberster Investmentbanker des Instituts in dem Ruf, immer einen Schritt weiter zu sein als viele Konkurrenten. Hat der „Regenmacher“, dessen Sparte vor der Finanzkrise die Gewinnmaschine des Hauses war, sein Gespür für künftige Entwicklungen verloren?
Auch wenn Jain am Montag klarstellt, die Bank sei nicht von den Regulierern zur zweitgrößten Kapitalerhöhung in der Geschichte des Instituts gedrängt worden - in dieser Härte hatte die Bank das Vorgehen der Finanzaufseher beim Thema Kapital sicher nicht erwartet. Zu Jahresbeginn musste die Bank auf deren Druck ihre Risikomodelle anpassen und für einige Geschäfte mehr Kapital zurücklegen.
Auf weiteren Gegenwind stellt sich der Konzern ein. Finanzchef Stefan Krause machte klar, dass die Deutsche Bank nun lieber zu viel als zu wenig vorsorgen wolle. Zudem möchte sich das Institut Spielräume für Investitionen schaffen, um den Anschluss etwa an die US-Konkurrenten nicht zu verlieren. Diese sind bei der Stärkung ihres Kapitals weiter als die deutsche Nummer eins.
Die Unsicherheiten bleiben aber auch nach der Kapitalerhöhung groß. So sieht sich die Bank bis auf weiteres nicht in der Lage, ein konkretes Szenario für mögliche künftige Belastungen aus anhaltenden Rechtsrisiken zu zeichnen. In den vergangenen Monaten konnten einige Auseinandersetzungen gegen hohe Zahlungen beigelegt werden - etwa der Dauerstreit um die Kirch-Pleite 2002 und Auseinandersetzungen wegen Hypothekengeschäften in den USA. Doch zahlreiche weitere Ermittlungen von Behörden weltweit laufen noch - auch gegen die Deutsche Bank.
Zu allem Überfluss zieht das Geschäftsmodell der Deutschen Bank derzeit nicht. Die niedrigen Zinsen machen ihr zu schaffen. Deshalb senkte der Vorstand nun auch seine Ziele für einige wichtige Sparten. Zudem leidet das Investmentbanking unter der Schwäche im Anleihegeschäft, an dem Jain anders als viele Konkurrenten unbedingt festhalten will.
Dabei regiert ein Stück weit das Prinzip Hoffnung: Jain selbst sieht in seinem Haus großes Nachholpotenzial, sobald die Zinsen wieder ansteigen und auch auf den Anleihemärkten wieder mehr los ist. Doch kurzfristig wird sich erst einmal nicht viel ändern.
In dieser Situation ist ein stabiler Ankeraktionär Gold wert. Und den holt sich das Institut nun in Person des Scheichs aus Katar. Öffentlichkeitswirksam erklären Jain und Fitschen den Einstieg der Araber in der „Bild“-Zeitung: Die Bank habe sich für die Investmentgesellschaft des Scheichs entschieden, „weil sie beabsichtigt, ein Ankerinvestor in der Deutschen Bank zu bleiben“.
Zuletzt rühmte sich das Geldhaus eher, zu 100 Prozent in Streubesitz zu sein. Mit den Hilfen aus Katar freilich steht die Deutsche Bank in der europäischen Bankenwelt nicht allein da. In der Finanzkrise hatte sich die staatliche Investmentgesellschaft Qatar Investment Authority bereits bei der britischen Barclays und der Credit Suisse eingekauft.
Nun gibt es bereits erste Spekulationen, dass die Araber an einer Fusion etwa zwischen Deutscher Bank und Credit Suisse interessiert sein könnten. Allerdings steigt Scheich Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani über seine private Investitionsgesellschaft ein.
Nicht schmecken dürfte die jüngste Entwicklung den mächtigen Investmentbankern der Deutschen Bank in London. Über diverse Boni sollen sie inzwischen zusammen knapp 20 Prozent der Aktien der Deutschen Bank halten. Nun wird der Anteil der Investmentbanker wie das der übrigen Altaktionäre verwässert. Ihr Einfluss sinkt.