Anschlag auf Flüchtlingsheim: „Eine Handgranate? Hier?“
Villingen-Schwenningen (dpa) - Die Frau auf der Straße ist schockiert. „Ich kann das gar nicht glauben“, sagt sie. „Eine Handgranate? Hier in unserer Stadt?“
Unbekannte haben den Sprengsatz in der Nacht zum Freitag auf das Gelände einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen geworfen. Der Sicherungssplint ist gezogen, doch die Granate explodiert nicht.
Die Frau, die ihren Namen nicht sagen will, steht in einer Seitenstraße nur wenige hundert Meter von der betroffenen Asylbewerberunterkunft entfernt. Die Polizei hat die Straßen weiträumig abgesperrt, außer den rot-weißen Bändern, den zahlreichen Beamten und einigen Experten in weißen Schutzanzügen deutet nichts darauf hin, was hier in der Nacht passiert ist.
Es ist gegen 1.00 Uhr, als die Handgranate über einen Zaun auf das Gelände der Erstaufnahmestelle geworfen wird. Rund 100 Bewohner wären bei einer Explosion in Gefahr gewesen. Am frühen Morgen können Experten die Granate kontrolliert sprengen.
Schlimm sei das trotzdem, sagt die Passantin. Sie zeigt hohe Metallzäune, die rund um die Flüchtlingsunterkunft stehen. „Die Menschen werden hier angefeindet, mit den Zäunen muss man sie vor uns schützen“, sagt sie. „Dabei verlässt doch niemand freiwillig sein Land.“
Am frühen Freitagmorgen sind kaum Menschen auf der Straße zu sehen. „Erbsenlachen“ heiße die Ecke in der Stadt mit rund 84 000 Einwohnern, nur zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt, sagt ein Polizist. Die Sonne scheint, auf die Straßen liegen letzte Reste von Schnee. Einfamilienhaus reiht sich an Einfamilienhaus, dazwischen stehen auf mehrere Straßen verteilt ehemalige Kasernengebäude, in denen jetzt die Flüchtlinge untergebracht sind.
Er wundere sich nicht über den Anschlag, sagt ein Anwohner in einer Nachbarstraße. Unzufriedenheit und Ärger über die Flüchtlingskrise stiegen in der Bevölkerung, aber die Politik unternehme nichts dagegen. „Keiner macht was“, sagt der Mann. In seinem Viertel in Villingen-Schwenningen seien die Flüchtlinge in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Bussen angekommen, niemand sei vorher darüber informiert worden, sagt er. „Wir haben nicht gewusst, wie viele kommen. Wie lange bleiben sie, woher kommen sie?“
Inzwischen habe sich das Zusammenleben aber eingespielt, es gebe keine größeren Reibereien zwischen Anwohnern und Asylbewerbern. „Wir müssen ja alle miteinander klarkommen“, sagt der Mann.
Nur ein paar Meter weiter laufen Ahmad und sein Freund Ghadi an einer der Unterkünfte vorbei. Die Sonne scheint, und die beiden Flüchtlinge wollen ein bisschen frische Luft schnappen. Sie sind seit fast zwei Monaten in Villingen-Schwenningen. „Aber heute Nacht haben wir gar nichts mitbekommen“, sagt der Syrer auf Englisch. „Wir wissen nur, dass es ein Problem gegeben hat. Mehr nicht.“ Machen sie sich Sorgen? „Nein“, sagt Ahmad. „Die Polizei ist ja da.“